Yves Tumor
Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds)
Warp/Rough Trade (VÖ: 17.3.)
Ein selbstironisches Lustspiel mit den Klischees der auf queer gedrehten Rock-Geschichte.
Mit dem das Nackenhaar aufpeitschenden Schrei des Openers und den sadistischen Orgien des Videos zu „God Is A Circle“ kriecht Yves Tumor erst die Höllenkreise hinab, steigt kurz darauf an Engelschören wieder empor und entgleitet schließlich völlig im paradiesischen Heilsversprechen einer „beloved saint“: Das fünfte Album der in Turin lebenden Künstler:in ist ein apokalyptischer, grandioser Ritt durch die Extreme. Postpunk- und Darkwave-Anleihen finden auf „Lovely Sewer“ wie selbstverständlich mit schwelgerischem Synthpop zusammen, „Purifed By The Fire“ stolpert mühelos von Boom Bap in einen stoischen Industrial-Marsch.
AmazonUmrahmt wird das Album von einem Instinkt für das Schichten und Collagieren von Sound, dem Frank-Ocean-Produzenten Noah Goldstein und Tumors Electronica-Vergangenheit sei Dank. Auch ihre gereifte Stimme windet sich entsprechend mal durch devote, mal dämonische, mal ungewohnt schüchterne Register, getragen von einem beißend sexy Groove. So düster das alles klingt, so selbstironisch ist es gemeint, denn PRAISE A LORD… ist ein Lustspiel mit den Klischees der Rockgeschichte, denen die Künstler:in ein queeres Makeover verpasst.
„Parody of a pop star? Is it all just make up?“, fragt sich Tumor schließlich zur Hälfte des Albums – und es stimmt, die schamlose Beschwörung von Prince, Iggy oder Bowie hat was von einem Kostüm. Am Ende aber strahlt Yves Tumors radikal eigene Vision durch die Lederkutten hindurch, und wenn das mit dem Paradies doch nix werden sollte, so ist sie spätestens mit dieser Release selbst auf dem besten Weg zum Pop-Olymp.
Autorin: Sonja Ella Matuszczyk