Album der Woche

Yu

PLEASE HOLD THE LINE

Recordjet (VÖ: 29.11.)

Kann man das Gender-Sternchen singen? Ja, und der Generation-Z-Indie-Pop kann noch viel mehr.

Falls Sie keinen Bock haben, die aktuelle Shell-Studio zu lesen, aber trotzdem gern wissen wollen, wie die jungen Leute so drauf sind, können wir als Alternative das Debütalbum von Yu empfehlen. ­PLEASE HOLD THE LINE ist eine Botschaft, ja ein Kommunikee aus dem Bauch der Generation Z zwischen den beiden Polen Wut und Orientierungslosigkeit: „Ich bin erst 20 und ich check nicht was passiert / ist es normal, dass man sich hier so verliert?“ Der 21-Jährige aus Troisdorf bei Köln schickt einen Abgesang an die Schulzeit („Danke dass du uns in Form für die Gesellschaft bringst / Und in eine Form, in der man Geld macht, zwingst“), erzählt von Panikattacken („Angst“), kann nachts nicht schlafen, träumt von „Freiheit“ als Droge, kennt Karl Liebknecht und fürchtet sich schon mal vorsorglich vor Steuerformularen.

Ja, Yu ist der erste, der den Gender-Doppelpunkt ganz selbstverständlich in einem Popsong singt

Seit Yu 2023 mit „Moshpit“ und der Ansage, Nazis auf den Schädeln herumzutrampeln, viral ging, hält er Nachnamen und Wohnort geheim, sich aber politisch nicht zurück. Die Vorab-Single „Nazis erschießen“ ist zwar eigentlich ein Liebeslied, das leicht ironisch von antifaschistischer Naivität erzählt. Aber die alte Wut ist dermaßen zentral, dass „Fick dich“, in dem Yu den queerfeindlichen, rassistischen und nationalistischen Zeitgenossen den Stinkefinker zeigt, mit „Fick dich im Quadrat“ gleich eine Zweitauflage in erhöhter Geschwindigkeit erhält. Da wird es dann fast Punk, und auch „Safe Psychopathen“ hat mit seinem klapprigen Gitarrenriff, knackigen Humor und eingängigen Refrain durchaus Ärzte-Qualitäten.

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In „Angst“ allerdings klingt Yu wie Henning May, in „Nicht krank“ adaptiert er Casper’sche Schwerblütigkeit und karikiert in „Gottlos verliebt“ Chanson-Romantik: „Ich lieb dich mehr als Fundamentalist:innen ihr Buch.“ Ja, Yu ist der erste, der den Gender-Doppelpunkt ganz selbstverständlich in einem Popsong singt. Aber auch ohne diese pophistorische Leistung ist dieses Debüt ein ganz großes.

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