Wolf Parade – At Mount Zoomer :: Die Platte des Monats

Die ersten Tone auf At mount zoomer geben die Marschroute vor. Diese crazy knarzende Keyboardmelodie ist ein Vorgeschmack auf eine – wenn man so will -Synthieplatte. Natürlich nicht im Sinne von Airs Moon Safari, aber die von Spencer Krug und Hadji Bakara bedienten Synthesizer und Soundeffekte haben sich auf dem Zweitwerk der kanadischen Band einen weitaus größeren Raum erobert als noch auf Apologies to Queen mary. Zwar rockten bereits dort stellenweise die Töne aus den Tasten – nachzuhören u.a. auf dem Überstampfer „You Are A Runner And I Am My Father’s Son“ – die Gleichberechtigung mit der im Rock alles beherrschenden Gitarre war jedoch nicht auszumachen.

Hier verhält es sich anders: So beginnt der Opener „Soldier’s Grin“ mit jenen herrlich angeschrägten Casioklängen, wie man sie etwa von Tiger Tunes kennt und erwartet, aber eben nicht von strengen Indierock-Kanadiern. Dann wabern die Keys unter der rhythmisch angeschlagenen Gitarre weiter, nur um sich unter heilsamen Strophenakkorden in sphärischen Sounds aufzulösen. Oder „California Dreamer“, der Abgesang auf den alles mürbe kauenden Moloch L.A.: Im Kernstück des Albums, das fast durchwegs um enttäuschte Hoffnungen in heutigen Millionenstädten kreist, nimmt man zunächst die Synthies als tragende Säulen wahr, bis sich die unglaublich schlau gespielten, teils abgedämpften Gitarrenlicks einmischen und zusammen mit züngelnden Synthielinien in einem wuchtig vorgetragenen Refrain münden. Tasten und Saiten begegnen sich auf Augenhöhe. Es scheint, als hätten Wolf Parade ihre (musikalische) Mitte gefunden.

Woher kommt die Gleichstellung der beiden Instrumente, die Zentrierung des musikalischen Schaffens? Sänger, Gitarrist und neben Krug der zweite Bandgründer Dan Boeckner klärt auf: „Nach apologies … schrieben wir vier oder fünf neue Songs, entschieden dann aber, sie wegzuwerfen, weil sie zu sehr nach dem klangen, was wir bisher getan hatten. Es wäre ein leichtes gewesen, ein zweites apologies … zu machen, aber das hätte keinen Sinn ergeben“ Stattdessen stürzten sich Wolf Parade in eine Experimentierphase, in der sie lange Improvisationssessions in einer kleinen Kirche aufnahmen. Eine kanadische Band nimmt in einer Kirche auf? Das hatten wir schon. Und genau dort, in der Petite Eglise in Farnham bei Montreal, in der Arcade Fire ihr neon bible schufen, entstand die eine Hälfte von at mount zoomer. Der Rest des Albums wurde in Mount Zoomer, dem Studio von Schlagzeuger Arlen Thompson aufgenommen, der auch für Aufnahme und Engineering verantwortlich zeichnet. Herausgekommen ist eine Platte, der man auch das Label „Prog“ aufkleben könnte. Die Stücke ufern nicht selten ein wenig aus, verlieren sich aber zum Glück nie in end- und höhepunktloser Improvisationsonanie wie bei The Mars Volta. Der Song steht bei Wolf Parade immer im Mittelpunkt, und so ist der vorauseilende Warnschuss der Band an das Label Sub Pop, es seien von diesem Album keine Singles zu erwarten, nicht ganz nachvollziehbar. Im Gegenteil, gefühlsmäßig ließen sich aus At mount zoomer mehr Singles herausquetschen als aus dem Franz-Ferdinand-Debüt. Fragt sich nur, wer das will. Eines will keiner: Dass es at mount zoomer so ergeht, wie den Radiowellen in „California Dreamer“: „I think I might have heard you on the radio/but the radio waves were like snow.“ Möge sich dieses Album als unempfindlich gegenüber Plusgraden erweisen und bis nach Timbuktu und wieder zurück strahlen, auf dass es eine möglichst große Hörerschaft erreiche. VÖ:17.6.

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