Werke von Gerhard Seyfried :: Buch des Monats:

Unter die generationsbildenden Autoren des 20. Jahrhunderts haben sich ein paar Comiczeichner geschlichen. Neben Barks, Crumb und Shelon darf sich Gerhard Seyfried zu den wenigen zählen, deren Bilder zu Ikonen der Gegenkultur wurden. Oder dürfte, weil seine münchnerisch-vorstädtische Bescheidenheit den Wahlberliner sicher abhielte, museale Ehrenränge zu beanspruchen. Wer den Unterschied zwischen „Freakadellen“ und „Bulletten“ nicht kennt, musss sich fragen lassen, ober überhaupt was kennt außer Grundgesetz und „Buddenbrooks“. Inspiriert von Donald Duck, Sigurd und Lurchi, fing Seyfried als Kind an mit dem Zeichnen, fand weitere Anregungen bei angelsächsischen Popkünstlern und der Neuen Frankfurter Schule (F. W. Bernstein bewahrte ihn 1976 mit einem sachverständigen Gutachten vor der Verurteilung wegen „Aufforderung zu Straftaten“) und wurde als Hauszeichner des Münchner „Blatt“, der ersten und wichtigsten anarchistischen Stadtzeitung der BRD, bundesweit berühmt mit bösen, selbstironischen, schreikomischen, oft hintergründig nachdenklichen Karikaturen, Kalauern („Pop! Stolizei!“) und Strips. Zwischendurch zeichnete er auch mal bei den „Freak Brothers“ mit, zog nomadisch-sporadisch durch die Welt, erlebte Tragödien, Dramen und schöne Sachen zwischen undogmatischer Linker, Sponti-Frühgrünen, Drogen-WGs und Punk. 1978 bzw. 1980 erschienen die Klassiker „Wo soll das alles enden?“ und „Invasion aus dem Alltag“, heute noch zerlesen in tausenden WG-Klos zu finden; es folgten Bestseller, meist mit Ziska Riemann, historische Romane, Plakate, Covers, wunderbare „Postcartoons“ und mancherlei lustiger Kleinkram, für den stets das nebenbei mal hingekritzelte Motto gilt: „Das Gemeine ist nur, dass man alles erlebt haben muss, was man zeichnen will“ (mit typisch seyfriedschen Abwiegehmgs-Unterblasen: „zumindest ansatzweise“ und „irgendwo“). Jetzt ist er 60, und wenn man neben der Zerfleddertheit der Originale einen Anlass brauchte, sich neben seinen gesammelten Comics auch diesen steinschweren Wälzer mit Bildern, Gemälden, Skizzen, Entwürfen, Karikaturen, Meisterwerken und witzigen Winzigkeiten (in dem der unbelehrbare Kiffer und unheilbar neugierige Frohdenker zudem sein Leben erzählt) ins Haus zu stellen, wäre das einer. Ein Standardwerk für ein gutes Leben, das man in einem Leben kaum auslesen und -lachen kann. Und wenn doch, fängt man von vorne an. www.seyfried-berlin.de.