Weltgunst von Thomas Kapielski
Im Italien der Renaissance wäre dieses Berliner Multitalent glatt als Universalgenie durchgegangen. Der 1951 geborene Kapielski ist Autor, bildender Künstler, Vortragsreisender, Fotograf, Dozent und virtuoser Musiker auf der Nasenflöte (Mitglied des Original Oberkreuzberger Nasenflötenorchesters, nachzuhören auf der CD STILLE TAGE IN RÜSSELSHEIM). Seine wahnsinnigen Geschichten aus einem absurden Alltag und die genialische Endlosschleife „Werwiewas ist Kapielski“ gibt es als Hörbuch (ABSTEHENDE RÖHREN). Wer sie hört, weiß: Sollte Kapielski mal in der Stadt, die man bewohnt, auftauchen, darf man ihn auf keinen Fall versäumen, der Mann ist ein grandioser Performer, der bei seinen Auftritten mühelos die Grenzen zwischen geschriebenem und erzähltem Wort ins Fließen bringt. Sein neues Werk, eine Art Sudelbuch, beginnt mit dem „Jahr des Hinnehmens 2002“: Job weg, Frau weg, Kind weg. Da kann er schon den Blues kriegen, „der ganz schön schlaue Experte, der in mir steckt, wenn es ums Doofstellen, Triangeln und Biertrinken geht“. Aber: „Ha! Man zeiht mich der Trunksucht? – Ach, Gottchen! Ihr kennt den alten Bravoursüffel von früher nicht. Ein Dreiviertetbierveteran ist aus ihm geworden.“ Zeitungslektüre sorgt hier und da für Stimmungsaufhellung: „Schwer erklärbare Kinder. Damit seine Stimme tiefer klingt, hat sich ein junger Mann regelmäßig Reinigungsspray für Rechnertastaturen in den Schlund gesprüht; er verstarb an einer Lungenembolie und liegt nun, ich wünschte in Frieden, um etliche Oktaven tiefer.“ Ansonsten geraten dem aufmerksamen Chronisten Kapielski Dinge ins Blickfeld, die uns alle mehr oder weniger beschäftigen: Kommunismus und Euro, wie viele Biere in ein vom Polizeiauto abgeschraubtes Blaulicht gehen, der Schwachsinn des Fernsehens [nebst Lösungsvorschlag] usf. Und Früchte der Lektüre: „Nachhut. Der Fortschritt hat keene Lust, sich zu kümmern um mir. Und wat mir anjeht, hab ick keene Lust, mir um den Fortschritt zu kümmern. Günter Bruno Fuchs. Da gibt es Sätze, da hat er sich einen direkten Zugang zur Klarheit ersoffen, der große Mann.“ Große Sätze finden sich zuhauf im Brevier des „Dreiviertelbierveterans“. Ein FAZ-Redakteur empfahl das Buch als „Lektüre für Anspruchsvolle“. Na. jeht doch!
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