Warpaint
The Fool
Rough Trade Rough Trade
Der Neo-Neo-Art-Rock von Warpaint zeichnet sich durch eine neue Sachlichkeit aus, bei dem es wieder einmal auch darum geht, was zwischen den spärlich gesetzten Tönen passiert.
Neulich in einem bekannten Wochenmagazin: Da wurde unter der Überschrift „No Future“ der Ursprung der Hysterie um die 80er-Revivalisten Hurts messerscharf analysiert. Popjournalisten, die ihre „todlangweilige 80er-Jahre-Jugend idealisieren“, hieß es da, seien für den Hurts-Hype verantwortlich. Wer überhaupt nichts kapiert hat von den Endlosschleifen des Revivalismus im Pop darf gerne die aktuelle Musik auf ihren Ewigkeitswert hin abklopfen und auf der selben Magazinseite das dritte Album der schwedischen Band Hellsongs (higher concept: Metal-Songs in „Lounge“-Versionen) hochjubeln. Unabhängig von allen und zu jedem gegebenen Zeitpunkt laufenden Revivals gilt die Musik der 80er-Jahre ja immer dann als zeitlos gut (= künstlerisch wertvoll), wenn sie schwarzweiß klingt. Wenn keine Verbindung zu den grellen, bunten, vermeintlich geschmacksverirrten 80er-Jahren des Mainstream aufgebaut werden kann, die ja dann doch in allen Köpfen mit „den 80ern“ gleichgesetzt werden.
Welche Musik der Achtziger klingt mehr nach schwarzweiß als die von Joy Division, der frühen The Cure oder der Young Marble Giants? Welche aktuelle mindestens genauso schwarzweiß? Die von The XX und die von Warpaint.Warpaint, das sind Emily Kokal (Gesang, Gitarre), Theresa Wayman (Gesang, Gitarre), Jenny Lee Lindberg (Gesang, Bass) und Stella Mozgawa (Schlagzeug, Keyboards). Das All-Girl-Quartett aus Los Angeles, Kalifornien, hat eine bewegte Vergangenheit. Gegründet am Valentinstag des Jahres 2004, damals noch mit der Schwester von Bassistin Jenny Lee Lindberg, Schauspielerin Shannyn Sossamon („A Knights Tale“), als Teil der Besetzung. Später kam der aktuelle Red-Hot-Chili-Peppers-Gitarrist Josh Klinghoffer dazu. Dessen Vorgänger John Frusciante saß an den Reglern bei der Produktion der 2008 im Selbstverlag herausgegebenen Debüt-EP „Exquisite Corpse“, die jetzt anlässlich der Veröffentlichung dieses Debütalbums wiederaufgelegt wird.Die erste gute Nachricht in Zusammenhang mit Warpaint: Dieses Debüt klingt weder nach Los Angeles noch nach den schrecklichen Red Hot Chili Peppers, noch nach den Menschen, die damit zu tun hatten: Produzent Tom Biller (Liars, Karen O) und Mixer Andrew „Two Lone Swordsmen“ Weatherall (!). THE FOOL klingt nach frühem 4AD-Scheiß, Post-Punk, The-Cure-Gitarren, an der Grenze zwischen Minimalismus und sanfter Psychedelia. Eine gewisse Schwere liegt über dieser Musik, die gerade so schwer ist, dass sie nicht erdrückend wirkt. Warpaint sagen ja zu den Endlosschleifen des Revivalismus. Es war ebenso klar wie unbestreitbar, dass nach den jüngsten Verwässerungstendenzen der Untergrundmusiken durch restaurative Muster aus dem Blöd-Rock eine Rückkehr zu irgendeiner Form der Kunstmusik kommen würde.
Dass diese sich aber dann gleich in einem pompösen, jede akustische Lücke ausfüllenden Neo-Art-Rock (Animal Collective, Yeasayer et. al.) zeigen musste, war dann vielleicht doch ein bisschen zu viel des Guten. Auf Punk, der Rock geworden war, zu antworten mit der Musik, die Punk verursacht hat, ist eine schöne Vorstellung unter Laborbedingungen, die aber der Realität nicht unbedingt standhalten muss. Dagegen zeichnet sich der Neo-Neo-Art-Rock von Warpaint durch eine neue Sachlichkeit aus, durch einen atmosphörischen Minimalismus, bei dem es wieder einmal auch darum geht, was zwischen den spärlich gesetzten Tönen passiert. Atmosphäre ersetzt die Überinstrumentierung.Manchmal klingen Warpaint auch wie der Entwurf eines Hyper-Folk, ohne die romantisierende Vereinfachungen und die Selbststilisierung der Protagonisten als melancholische Loser. Der dreistimmige Gesang von Warpaint schwebt wie ein flüchtiges Gas über diesen dunkelgrauen Liedern. Wobei wir wieder bei 4AD wären und bei den frühen Achtzigern in Schwarzweiß. Und bei The XX. Warpaint sind die vielleicht erste Band, der man ein „klingt so ähnlich wie The XX“ hinterher rufen darf.