U2

Achtung Baby – 20th Anniversary

Island/Universal

20 Jahre Achtung Baby: U2 bestehen den Imagewandel. Aus Protestkindern werden Männer mit Schatten.

Dunkelheit tritt an die Stelle des Lichts. Mit „Where The Streets Have No Name“ aus The Joshua Tree (1987) begrüßten U2 den Sonnenaufgang. Mit dem Achtung Baby-Opener „Zoo Station“ ging die Band unter die Erde. In die U-Bahn, auf Reisen in das dunkle, unbekannte Ostberlin der Nachwendezeit. The Edge spielte keine erhebenden Töne mehr, seine verzerrte Gitarre klang wie ein rasender Zug, manchmal sogar wie Krieg. David Bowie als Inspiration und die Hansa-Studios als Aufnahmeraum. Bono sang erstmals mit verstellter Stimme, er wollte geradezu missverstanden werden.

1991 schufen U2 ihr düsterstes Album. Die Themen – Un­schuldsverlust, Verrat, Abkehr von Gott, Allmachtsfantasien – haben 20 Jahre später ebenso wenig an Reiz verloren wie der Sound des Albums. Wer an „The Fly“ immer noch kritisiert, dass U2 damit der britischen Ravemusik den Todesstoß versetzt hatten, ignoriert leider, dass es keinen Song der Rave-Bewegung gab, der es mit „The Fly“ aufnehmen konnte. „Mysterious Ways“? Ist die tanzbarste Hendrix-Variation. „Love Is Blindness“ ist das traurigste, pessimistischste Lied, das je über Selbstmordattentäter und Terrorismus geschrieben wurde. Als Texter war Bono nie besser.

Achtung Baby erscheint in verschiedenen Deluxe-Editionen, die größte, die „Uber“-Edition, enthält unter anderem: das noch mutigere Schwester-Album Zooropa (1993) sowie die bereits veröffentlichte Zoo TV: Live from Sydney-DVD. Die „Zoo TV“-Tour wirkt heute herrlich antiquiert, mit Großfernsehern als Bühnendeko, Satelliten für Liveschaltungen und Bonos Fernsehen-verdirbt-dich-Botschaften. Damals ahnte keiner, dass das Massenmedium Internet uns alle bald verderben würde. Die beigefügten CDs mit Outtakes und Demos dokumentieren Bonos langsame Entwicklung: vom Jungen mit Unschuldsstimme zu einem zynischen Schauspieler, der sich als Popanz nur scheinbar wohl fühlt. Was vergessen? Ja. Die „The Fly“-Sonnenbrille liegt auch bei. Unwichtig? Aha. Wer hat denn damals so eine Brille, die Brille des Jahres, erstehen können? Eben. Keiner.