Tyler, The Creator

Wolf

Odd Future/Columbia/Sony Music

Das HipHop-Großmaul aus L.A. zeigt sich auf seinem dritten Album als großer Geschichtenerzähler.

Ganz sicher ginge es zu weit, zu behaupten, Krawallrapper Tyler, The Creator, „Fucking Walking Paradox“ des Gegenwarts-HipHop, wäre erwachsen geworden. Und doch klingt Wolf reifer als die Vorgängeralben. Musikalisch, wie textlich setzt es da an, wo das Erfolgsalbum Goblin vor zwei Jahren endete. Wieder sind die Raps rau und beleidigend, misanthropisch und sexis­tisch. Doch der mittlerweile 22-jährige Mastermind von Odd Future, arbeitet sich auch an eigenen Neurosen ab: „Papa ain’t call even though he saw me on T.V.“, rappt er in „Jamba“. Zwischen den tiefsitzenden „Daddy Issues“,  dem Hadern mit  dem Tod seiner Großmutter und dem zwiespältigen Verhältnis zum eigenen Ruhm zeichnet Tyler ungeheuer vielschichtige Szenarien. In den besten Momenten macht ihn diese Inszenierungswucht zu einem großen – vielleicht dem größten – Fabulierer der amerikanischen Aufsteiger-Wirklichkeit seiner Generation. Düstere Raps schleudert er über Upbeat-Klangbetten und polyrhythmische Hi-Hats hinweg. Klirrende Synthesizer treffen auf Jazzakkorde wie in „IFHY“ und der tosende Sound der Singleauskopplung „Domo 23“ überrascht mit lautem Einsatz von Hörnern. Schwindelerregend und nicht minder beeindruckend ist aber vor allem der erzählerische Balanceakt, den Tyler zwischen launenhaften Crash-Kid und jungem Erwachsenen vollzieht: zwischen den HipHop-prototypischen Narrationen von Dollarbündeln, Sex und Drogen und Selbstreflexion. Die Musik von Tyler, The Creator ist immer beides: Orgie und Therapie. Betrachtet man die bisherigen Alben als Dreiphasen-Seelenklempnerei, dann erscheint Wolf als Versuch die Konflikte zu lösen, die Bastard im Jahr 2009 auf den Plan rief und Goblin zwei Jahre später in aller Respektlosigkeit zelebrierte. Die Frage, was danach noch kommen kann, dürfte in seinem Fall mehr als spannend sein.