Trees – On The Shore

Das Album steckte in einem der schönsten und mysteriösesten Umschläge, die das legendäre Plattenhüllen-Design-Haus Hipgnosis je entworfen hat, und die darin enthaltene Musik erfüllte in jeder Hinsicht das Versprechen, das das Cover gegeben hat. Auch das Timing passte. On The Shore, das zweite Album des Londoner Quintetts Trees, erschien im Oktober 1970 zu einem Zeitpunkt, als die britische Undergroundszene dank des epochalen Albums Liege And Lief von Fairport Convention gerade erst auf die Freuden rockender Versionen von traditionellen englischen Folk-Songs gekommen war. Warum das großartige Album damals weitgehend ignoriert wurde, ist aus heutiger Sicht völlig unverständlich. Vier Mitglieder der Band waren exzentrische Bewunderer der Gitarristen Martin Carthy und Richard Thompson aus den Folkklubs von Nordlondon. Sängerin Celia Humphris hatte sich nur auf Drängen einer gemeinsamen Freundin hin zur Vorsingprobe gemeldet und wollte nach einer Ausbildung als Opernsängerin eigentlich Schauspielerin werden. Ihre Glockenstimme gemahnt im Timbre an Brian Eno: Die Stimme erreicht eine beachtliche Spanne, ist aber federleicht und gänzlich frei von souligen Biegungen und Wendungen. Gerade das Fehlen von derartigen dramatischen Floskeln im Gesang gibt den subtilen und dramatischen, jedoch nie pathetischen Songs – steinalte Traditionals sowie Kompositionen von Bassist/KeyboarderBias Boshell-eine ungewöhnliche emotionale Dynamik. Ebenso stark wird der unnachahmliche Trees-Sound vom Zusammenspiel elektrischer und akustischer Gitarren sowie vom McCartneyhaft melodisch gespielten Bass geprägt. Die zehnminütige, über weite Strecken improvisierte Version von „Sally Free And Easy“ (ein Lied von Cyril Tawney) ist eine ganz dicke Perle des psychedelischen englischen Folk-Rock. Die Neuauflage von On The Shore ist der Tatsache zu verdanken, dass Gnarls Barkley ihr St. Elsewhese auf einem Sample des Trees-Songs „Geordie“ aufbauten. Eine Bonus-CD ist mit nie veröffentlichten Aufnahmen sowie mit Versionen von alten Songs gefüllt, bei denen man nachträglich die Celli, Pianos und Backing Vocals hinzugefügt hat, die nach Meinung der Plattenfirma „immer schon hätten da sein müssen“.

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