Tony Oxley/Derek Bailey – The Advocate :: All That Jazz

Wie lässt sich musikalisch Trauerarbeit leisten? Entweder man greift ideenlos zum gängigen Prozessionshit, zu Chopins Trauermarsch. Oder man versucht dem Verblichenen all jene Signale hinterherzuschicken, an denen er zu seinen Lebzeiten am liebsten rumgewerkelt und rumgeschraubt hat. Und genau das machte auch Schlagzeuger Tony Oxley im Januar 2006 in der Londoner Barbican-Hall. Nur wenige Wochen nach dem Tod von Derek Bailey, dieser Freestyle-Ikone an den ständig unter Starkstrom stehenden Gitarrensaiten. The Advocate nannte Tony Oxley seine elektroakustische Hommage an den großen Gitarristen Derek Bailey, in der die Rhythmuskonstellationen mit einer fulminanten Energie und rasend machenden Virtuosität in der Luft zerfetzt wurden, wie es Oxley schon vor Urzeiten mit Bailey zu tun pflegte. Genauer 1963, als sich die beiden erstmals begegneten und unter anderem auch als legendäres Trio Joseph Holbrooke feat. Gavin Bryars den Jazz aufs Minenfeld führten. Aus dem Stand mit diesen Resten der Detonationen immer wieder all diese neuen Sound-Mobiles zu gestalten, die bei aller radikalen Experimentalintensität eine geheimnisvolle Magie bis hin gar zur Vertrautheit besitzen-das gelang Tony Oxley und Derek Bailey auch in trauter Zweisamkeit im Jahr 1975. Bei drei Versuchsanordnungen liefen in einem Londoner Studio die Bänder mit. Und 32 Jahre später macht einen die Erstveröffentlichung dieser Aufnahmen geradezu atemlos. Mit seismographischem Gespür werden da heftig zuckende Tonstelen und minimalistisch-atomare Tontropfen abgetastet, vom elektronischen Equipment durchgesiebt und deformiert, um dann sofort mit einer urwüchsigen, fast rituellen Überwaltigungskraft abstrahiert zu werden. So sehr der Jazz bezeihungsweise das, was hier noch von ihm übrig geblieben ist, auf seine elementar nackte Existenz reduziert wurde, so bildet er jetzt ein Spinnennetz, aus dem man freiwillig so schnell nicht mehr entkommen möchte.

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