Tom Zé :: Grande Liquidação
Bossa-Dada-Beatwerk der außergewöhnlichen Art: Der geniale Tropikalist katapultierte 1968 São Paulo in den Wilden Westen.
Sicherlich hört man auch diesem Album das Entstehungsjahr 1968 an. Der Beat der Zeit trat allüberall phantasmagorische Reisen mit unbekanntem Ziel an; wildes Verlieben in jedwede Richtung, wohin man sah und hörte: von den Beatles über die Byrds bis zu Van Dyke Parks. Tom Zés Grande Liquidação ist für die brasilianische Popmusik so etwas wie das Weiße Album für den Rest der Welt. Sein Debüt nahm der Sänger, Multiinstrumentalist und Autor kurz nach seinem Umzug aus Salvador de Bahia nach São Paulo auf. Und „São São Paulo“ ist gleich der Willkommensgruß auf diesem Album gewidmet, beginnend mit einer sentimentalen Melodie auf der Mundharmonika, doch anstelle von Tex Ritter oder Robert Mitchum tritt das sanfte Surren Tom Zés in den Song, der über dreieinhalb Minuten wunderbar zwischen Bossa und Beat oszilliert. Diesen Schwebezustand soll das Album über die Strecke einer halben Stunde beibehalten – Psychedelic Rock, Kammermusik, Dada, Jazz und Regionalmusik zitierend, Tradition und Deformation Kopf an Kopf. Mit der Neuauflage (Vinyl und CD) dieses auch hochmelodischen Crossoverwerks holt das britische Label Mr. Bongo das fehlende Puzzleteil in der Würdigung des heute 75-jährigen Tom Zé aus den Archiven hervor. Selbst David Byrne, der Zé Ende der 1980er fürs anglo-amerikanische Pop- und Rockpublikum entdeckte und mit mehreren CDs auf seinem Luaka-Bop-Label ein Denkmal setzte, hatte dieses außergewöhnliche Frühwerk des Gründungsmitglieds der Tropikalisten nicht auf der Rechnung. Jetzt darf Grande Liquidação mit Todos Os Olhos (1973) und Se O Caso É Chorar (1972) um einen Platz im Pantheon des etwas anderen Pop antreten. In den 70ern war Zé aber schon mehr der Geschichtenerzähler und Privatsinfoniker, der mit verbogenen Melodien und umfunktionierten Haushaltsgeräten operierte. Wenn man so will: mehr Beefheart als Lennon/McCartney.
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