Tocotronic – The Best Of Tocotronic

Sampler & Compilations

Tocotronica: Werkschau der deutschen Lyrik- und Rock-Institution - im Einzel interessant, im Doppel essentiell.

Best-Of-Alben brauchen immer eine gewisse Rechtfertigung. Vor allem, wenn eine Band noch voll im Saft steht und keinen Anlaß für abschließende Retrospektiven bietet. Tocotronic arbeiten zur Zeit an neuen Liedern, ihre letzte Platte ist noch nicht einmal ein Jahr alt, und ihrer Tour 2005 zu entkommen, war kein leichtes Unterfangen. Trotzdem ist eine Werkschau, wie sie jetzt in edler Goldverpackung vorgelegt wird, eine lohnende Angelegenheit. In 21 Schritten (plus ein Remix) nachzuvollziehen, wie diese Band sich vom jugendlich gewandeten Garagenrock-Schlendrian zur hochartifiziellen Poeterei entwickelt, ist eine einsichtsreiche Studie: Wie die eigentlich bereits hochmetaphorische Lyrik der ersten Alben unvermeidlich ins große Mißverständnis der „Authentizität führen muß, wie sich die Songs erst verbreitern I..So jung kommen wir nicht mehr zusammen“!, dann verfeinern („Dieses Jahr“). Wie K.O.O.K. die alten Formen dekonstruiert, ohne sich schon vom bekannten Soundbau zu trennen, wie das „weiße Album“ eine neue Form kreiert und zu vielgliedrigem Science-Fiction-Rock steigert, wie PURE VERNUNFT DARF NIEMALS SIEGEN sich auf den (von den Künstlern selbst so benannten) „Dogma „-Sound reduziert – und wieder beim Rockband-Format aus Gitarre, Baß und Schlagzeug anlangt, der nach zehn Jahren der Häutungen und Wandlungen nicht mehr vergleichbar ist mit 1994. In den Linernotes kommentieren Tocotronic – analytisch schlau und selbstironisch – jeden einzelnen Song und zeigen mit komplexen Erläuterungen (und einem „strukturalistischen Diagramm“ zu „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“), wie konzeptuell gewichtig sie ihre Kunst von Anfang an betrieben – und mit frühen Plakat- und Autogrammkarten-Entwürfen, daß sie sich dabei nie zu ernst genommen haben. Für Fortgeschrittene dokumentiert die Raritäten-CD der Limited Edition auch noch die Zwischenschritte dieser Entwicklung: Songs der lange vergriffenen Debüt-7-Inch, Demos und Liveaufnahmen enthüllen detailliert die Arbeits- und Selbstdarstellungsweise eines höchst anspruchsvollen Gesamtwerks – angesichts der schraddeligen allerersten Proberaumaufnahmen von 1993 und der Mitschnitte der letzten, sich in mystischem Wahn und Dandyismus gefallenden Konzerte reibt man sich noch einmal verwundert die Augen, wie um alles in der Welt eine Band so schnell von da nach dort gelangen konnte.

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