Tindersticks
Distractions
City Slang (VÖ: 19.2.)
Die Briten finden einen Neuanfang zwischen Krautrock und Flüsterpop – und mit Hilfe von Coverversionen.
Aktuell steht jedes neue Album gewissermaßen unter Pandemieverdacht. Bei DISTRACTIONS handele es sich nicht um ein Lockdown-Album, obwohl die Songs nicht unberührt vom Lockdown seien, sagt Stuart Staples. Das lässt sich so lesen: Manchmal katapultieren uns die Einschränkungen in einen Raum, der etwas, das bereits im Werden war, erst möglich macht.
AmazonDISTRACTIONS ist eine Spielwiese für musikalische Neuanfänge und eine Verneigung vor Songs geworden, mit denen die Band schon länger flirtete. Mit „Man Alone (Can’t Stop The Fadin’)“ zu Beginn des Albums haben Tindersticks ihren bislang längsten Track veröffentlicht. Elf Minuten nimmt sich die Band für eine krautrockige Bass- und Beatsschleife, über die Staples das titelgebende Mantra legt. „I Imagine You“ macht den U-Turn vom Club auf das Sofa.
Ein dreifacher Geniestreich
Im Zentrum des Albums steht ein Triptychon aus Coverversionen, mittig Dory Previns „Lady With The Braid“ (1971), leicht beschwingt, an den Außenseiten Neil Youngs „A Man Needs A Maid“ (1972), als Ode an den R’n’B formuliert, und „You’ll Have To Scream Louder“ von den Television Personalities (1984). Wir müssen lauter werden, angesichts von Polizeigewalt und Machtmissbrauch – Staples verwandelt den TVPs-Klassiker mit Beats aus der Box in ein aktuelles Polit-Manifest.
Dem dreifachen Geniestreich ist so viel zum Finale nicht mehr hinzuzufügen: Mit einer bleiernen Piano-Ballade („Tue-moi“) betritt die Band auch mal bekanntes Terrain. Mit dem naturalistischen Klanggemälde „The Bough Bends“ werfen Tindersticks ihre Suchmaschine an, in der Erforschung von Strukturen muss aber nicht jedes Mal ein Klassiker entstehen.
„DISTRACTIONS“ im Stream hören: