The Weeknd
HURRY UP TOMORROW
XO/Republic (VÖ: 31.1.)
Ende einer Ära: Alt-R&B-Superstar The Weeknd beschließt seine AFTER-HOURS--Trilogie mit einem Synth-Epos.

Ich sag’s ganz offen: The Weeknd wird mir wahrscheinlich für immer ein Rätsel bleiben. Und auch, was ich von ihm halte. Ist er nun ein musikalisches Genie? Oder ein völlig von Hybris zerfressener Creep? Oder beides? Oder nichts davon? HURRY UP TOMORROW macht es mir auf jeden Fall nicht leichter. 2011 spielte mir ein Mann, in den ich mich verliebt hatte, „House of Balloons“ vor – und ich war fasziniert. Es war die Hochzeit von PBR’n’B wie alternativer R’n’B ein bisschen abschätzig genannt wurde, inspiriert vom billigen Hipsterbier PBR. Und The Weeknd war einer der Posterboys dieser neuen Welle, zu der auch How to Dress Well oder FKA Twigs (eher unfreiwillig) gezählt wurden.
Seitdem hat sich der Kanadier The Weeknd aber stetig in den Mainstream vorgearbeitet – inklusive Halbzeitshow-Performance beim Super Bowl 2021 und der gnadenlos und zu recht verrissenen Fernsehserie „The Idol“. Nun beendet er also mit seinem sechsten Album eine Trilogie, die mit AFTER HOURS 2020 begann, dann kam DAWN FM 2022 und nun also HURRY UP TOMORROW – ein knapp 85 Minuten langes Epos. Und der Vibe bleibt nächtlich. Zumindest größtenteils.
Take Note, Drake
Im ersten Drittel des Albums nimmt uns Abel Tesfaye mit in den Club: energetischer Synthiegeschwängerter Rave. es geht direkt los mit dem von Justice mitproduzierten „Wake Me Up“, dann blinzelt hier Giorgio Moroder durch, da Daft Punk, alles auf Anschlag, Maximum Pressure, wir gehen steil mit Oneohtrix Point Never, mit der brasilianischen Rapperin Anitta, mit Metro Boomin. Und dann? Dann kommt er ins Schwelgen, großer Pop, Sehnsucht, weichere Töne, ganz viel Hall, Features von Future („Enjoy the Show“), von Travis Scott („Reflections Laughing“, The Weeknd bleibt dem Thema Selbsthass und Ballerei auch Jahre nach „Can’t Feel My Face“ treu), von Playboi Carti („Timeless“, mit Pharrell) – und einem der zentralsten Stücke des Albums: „Take Me Back to LA“, einer melancholischen Ode an die Wahlheimat des Kanadiers. Take Note, Drake.
Und nochmal ein paar Songs weiter blitzt er wieder durch, der The Weeknd von 2011, mit seinem experimentelleren R’n’B-Trapgeflimmer, elektronischeren Produktionen, Störgeräuschen und einem Gespenst namens Lana del Rey, das unerkannt (die Features sind auf den Streaminganbietern verborgen) durch das großartige „The Abyss“ schreitet. The Weeknd kann es noch – HURRY UP TOMORROW ist trotz seiner heutzutage absurden Länge eine beeindruckende Werkschau. Und ein angemessenes Ende für die Albumtrilogie, die ihn zum Mainstreamsuperstar katapultierte. In einigen Monaten soll noch ein Film zum Album folgen. Aber vielleicht ist es ratsam, den nach den Erfahrungen mit „The Idol“ zu ignorieren – und sich einfach nur über The Weeknd auf dem Gipfel seines Popstartums zu freuen.
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