The Singles

So ganz aus dem Kontext der zugehörigen Langspielplatte herausgelöst, wirkt die zweite Single aus intimacy von Bloc Party ein bisschen, nun ja, fad und farblos. Könnte daran liegen, dass „Talons“ (Wichita/Cooperative/Universal) mit der fantastischen ersten Single „Mercury“ konkurriert und dabei zweiter Sieger bleiben muss. Bevor wir aber noch mehr in Sportkommentatorenphrasen verfallen, verweisen wir auf die Remixe der beiden Vinyle und der einen CD-Ausgabe (u.a. The Moody Boyz, Midfield General, Phones) und erinnern daran: Bitte alle am 24. Oktober das Album intimacy kaufen. Auf Vinyl. Vielen Dank.

Apropos „vielen Dank“: Bevor das neue Album 4:13 dream erscheinen wird, hauen The Cure schnell noch eine EP mit Remixen ihrer vier jüngsten, im Monatsrhyhtmus erschienenen Singles raus. Robert Smith scheint jetzt komplett durchgedreht zu sein, sonst hätte er die Lieder für „Hypnagogic States“ (Ceffen/Universal) nicht von 30 Seconds To Mars, AFI, My Chemical Romance, Fall Out Boy und 6sdaysofstatic remixen lassen. Die Remixe sind ungefähr so schlecht wie die Bandnamen es vermuten lassen. Wir empfehlen die unfreiwillig komische Scooter-mäßigeAFI-Version von „Freakshow“.

Der Seltsamkeitspreis des Monats geht an Mary Epworth And The Jubilee Band aus England und ihre erste 7-lnch „The Saddle Song“ (Hand Of Glory-UK-lmport). Die A-Seite: ein drunter und drübergehender, besoffener Psychfolker zwischen traditionell und dem futuristischen Folk-Verständnis der 6oer-Jahre, inkl. komischen Bläsern und Streichern. „Sweet Boy“ auf der B-Seite dann ein leiser, akustischer Folksong, circa Cat Power.

Die Geeks hatten halt schon immer Recht. Von Album zu Album wird deutlicher, dass The Faint ganz eigentlich vielmehr elektronische Tanz- als unelektronische Rockband sind. Die erste Single aus dem Album Fasciinatiion geht dann auch folgerichtig den ganzen Weg: „The Geeks Were Right“ (Boys Noize Records/Rough Trade) wird im „Boys Noize Vs D.I.M. Remix“ zu einem ausufernden Acid-getränkten Elektrorocker, der auf Boys Noize Records sehr gut aufgehoben ist.

1 Ein durchaus gespaltenes Verhältnis zur Musik des Wahlberliner DJs und Produzenten Jay Haze zu haben, geht völlig in Ordnung. Vieles von dem, was der Amerikaner so produziert, hat was von unverbindlicher Nebenbei-Abendunterhaltung for expensive people. Hazes Nebenprojekt Fuckpony ist auch nicht ganz frei von Verdachtsmomenten, Musik für Menschen mit Marc-Jacobs-Schuhen an den Füßen und einem Glas Pine apple Fizz in der Hand zu sein. „Shocked“(Bpitch Control/Kompakt) dagegen passt wie ein Turnschuh: ein Fusionsprodukt aus trockenem Electro-House und soulful Funk-dank der Stimme von Amira Light.

Neues aus Westfalen,dem bundesdeutschen Post-Hardcore-und Prä-Emo-Zentrum. How To Loot Brazil erinnern zumindest mit der A-Seite ihrer Single „Backwater Prick“ (TV Eye/Cargo) an die Zeit, in der Hardcore nicht mehr richtig Hardcore und (Gott sei Dank) noch nicht richtig Emo war. Der Song ist ein kleiner, fieser Bastard aus komischer Rhythmik, euphorisiertem Chorgesang und aufgebohrten Disco-Keyboards.

Es gibt nichts Besseres für den Rezensenten als zu rezensierende Musik, die sehr referenzreich daherkommt. So kann der Rezensent so wunderbare Vergleichsbandwurmsatze wie „Band x trifft Band y im Proberaum von Band z“ quasi einem Naturgesetz folgend und ohne groß da rüber nachzudenken in die Tastatur hacken. Kassette aus Köln mit „Wir dürfen alles“ (AufdiePlätze/Alive) sind so ein herrlich referenzreiches Beispiel. Wir sagen mal so: wie wenn Plastic Bertrand mit einer vagen Erinnerung an Die Goldenen Zitronen im Hinterkopf einen Mash-up aus Sailor und Sportfreunde Stiller spielt.

Das hat John Legend aber schon besser hingekriegt. „Green Light“ (Columbia/Sony BMG), die erste Single aus seinem dritten Album Evolver ist so ein Neo-Soul-Ding, das einerseits in die Phillysound-Vergangenheit blickt, auf der anderen Seite aber um dezente Modernität bemüht ist, was zum Beispiel an den Gast-Rap-Skills von Andre 3000 von OutKast abzulesen ist.

Ach, Split-EPs erscheinen viel zu selten. Die Idee, je zwei Songs von zwei Bands auf einem Tonträger zu veröffentlichen, ist jedenfalls nicht die schlechteste. Auf 090208 (Viva Hate Records/Cargo) sind das Long Distance Calling aus Münster und Leech aus der Schweiz, die beide im Grunde dasselbe Feld bestellen: (im weitesten Sinne) instrumentaler und epischer Post Rock. Long Distance Calling ist die Hardcore-Vergangenheit anzuhören, während Leech die ganze Sache ein bisschen verspielter, aber keineswegs undynamischer angehen.

Das Lied „Looking Back“ (Backslide Records/Our Distribution) kennt man aus einem jener Umwelt-Auto-Werbespots, die selbst einem autolosen Zuschauer ein schlechtes Gewissen einreden und das Gefühl geben, eine totale Umweltsau zu sein, weil er eben nicht dieses bestimmte Auto besitzt, weil das so gut für die Umwelt ist, dass aus dem Auspuff nach Rosen duftende Frischluft und kleine, rosafarbene Pferdchen entlassen werden anstatt Feinstaub und Kohlenmono- und -dioxid. „Looking Back“ klingt wie ein 6oer-Jahre-Motown-Song, circa Sam Cooke, ist aber in Wahrheit ein Original dieser crazy Jam-Band aus Nordrhein-Westfalen namens The Roads.6oer-Jahre-Soul mit einer Portion Prä-Hippie-Anmutung.

Mit fast 40 Jahren ist Jochem Paap schon ein Veteran der elektronischen Musik. In den letzten l5 Jahren hat der Niederländer unter seinem eigenen Namen und unter dem Pseudonym SpeedyJ einiges erkundet zwischen Ambient und ambitionierten Techno, circa Autechre. „Red Shift“ (Electric Deluxe/Plus 8) ist Speedyjs erster Dancefloor-orientierter Release seit 2006 und dazu die Katalognummer 001 auf seinem eigenen Electric-Deluxe-Label. Die zwei eher abstrakten Tracks zeugen von einem (im besten Sinne) oldschooligen Minimal-Techno-Verständnis, als die Musiker Klangforschung noch vor Funktion stellten.