The Singles

Sauber. Ellen Allien gräbt ihren allersten Track „Just Let The Groove Co“ von 1994 aus und bastelt unter Berücksichtigung der Original-Vocals einen neuen. „Co“ (BPitchControl/Rough Trade) wird zu einem deepen Tech-House-Monster für den Dancefloor, das dann im „Marcel Dettmann Remix“ einer minimaldubbigen Behandlung unterzogen wird.

Inwieweit Ironie inhaltlich und formal eine Rolle spielt bei der neuen 12-Inch von Ascii Disko, lässt sich nicht genau bestimmen. „MDMA“ (Pale Music/Neuton/Rough Trade) thematisiert das ritualisierte Verhalten von Partygängern, sich Methylendioxymethylamphetamin in Form von kleinen runden Pillen ins Gehirn zu schießen. Der Track kommt als derart fieser Electrorocker mit fetter Basssdrum, dass sich Justice warm anziehen müssen. Plus: „The Scandals Remix“, „Punx Soundcheck White Remix“. Auch fies.

Ist das auch Ironie? Die neue EP der Editors heißt genauso wie ihr diesjähriges Album: „An End Has A Start“ (PIAS/Rough Trade). Und das Cover sieht fast so ähnlich aus wie das vom Album-nur nicht so gelb. Es ist wurscht, weil sich eher die Frage stellt, wieso die – neben dem Titelsong – fünf Non-Album-Tracks nicht On-Album-Tracks geworden sind. Verdient hätten sie es allemal, vor allem der langsam, aber gewaltig kommende düstere Hymnenrock von „An Eye For An Eye“. Auch sehr schön: die Akustikversion von „An End Has A Start“.

Das Schöne an Friska Viljor: Das sind schwedische Musiker, die nicht mit angloamerikanischen Musikanbiederungen die Welt erobern wollen, sondern mit einem „eigenständigen“ „Sound“ „ihr eigenes Ding machen“. Auf „Oh Oh“ (Devil Duck Records/Indigo) wird die folkrockende Seltsamkeit des Songs in sechs (!) Remixen in ihre Einzelteile zerlegt und wieder zusammengesetzt. Alles dabei: von komischen Breakbeats, Illbient-Anmutungen bis hin zu Micky-Maus-Stimmen. Dass ich von keinem der Remixer jemals etwas gehört habe, beunruhigt mich überhaupt nicht.

Wir wiederholen. The Indelicates. Lieblingsband von Art-Brut-Sänger Eddie Argos. „Bekannt“ geworden durch ihre beiden zynischen „Hits“ „We Hate The Kids“ und „Waiting For Pete Doherty To Die“. So wie auf den beiden Singles vorherspielt die Londoner Band auf „Julia, WeDon’t Live In The 60s“ (Weekender-UK-Import) undefinierbaren Indierock, der leicht in den falschen Gehörgang zu bekommen ist, wenn man nicht bemerkt, dass die Indelicates heftig mit dem Ironiefähnchen wedeln. Wenn man’s weiß, dann klappt das aber sehr gut. Auch mit der Piano-Schnulze „Point Me To Me West“.

Kraftwerk: Legenden elektronischer Lebensaspekte. Hot Chip: der heißeste Scheiß der britischen Electroszene. Naheliegend: Hot Chip remixen Kraftwerk. Auf „Aerodynamik/La Forme (Remixed By Hot Chip)“ (Kling Klang/EMI) hat es genau zwei Remixe: Der „Aerodynamik (Intelligent Design Remix)“ ist ein minimal-technoides Wunderwerk, in das Alexis Taylor und Joe Goddard alles reingesteckt haben, was reinging. Vintage-Kraftwerk-Sounds, Acidgezwitscher und ein paarklitzekleine Hot-Chip-Kostlichkeiten inklusive. Entsprechenden Stimmungsschwankungen ist dieser Track unterworfen. Weniger was fürs Tanz- als vielmehr für das Hörvergnügen. Das elfeinhalbminütige „La Forme (King Of The Mountains Remix)“, remixt von AI Doyle und Felix Martin, wird nach einer chilligen Einleitung zu einem Bassdrum-infizierten Monster für den House-und Tanzbodengebrauch, um nach circa sieben Minuten mit einer glasklaren Melodie aus dem vintage Synthesizer den Himmel aufreißen zu lassen.

Schweden wieder. Niedlichkeit auf dem Cover der Single „You Can’t Say No Forever“ (Tapete/Indigo). Das zeigt die fünf Musikerinnen von Lacrosse mit fotomontierten Stofftierköpfchen. Niedlichkeit aber auch in der Musik. Hier hat es The-Hidden-Cameras-Chorgesänge plus Bubblegum-Glampop plus Arcade-Fire-Strukturen, Merken Sie sich diesen Namen: Lacrosse – Sie könnten ihn später noch brauchen.

Und jetzt in die Schweiz. Navel sind nach Meinung des Presseinfoschreibers (Hallo, Patrick!) der neue heiße Scheiß. „Vomiting“(Louisville/Universal), die zweite Single der Band, deutet darauf hin, dass das auch wirklich stimmt. Der Titelsong ist ein bluesinfizierter Rocker mit ziemlich viel Feuer im Arsch. Die B-Seite: „Our Mother The Mountain“ von Townes van Zandt in einer anrührenden Version. Und weil’s so schön ist, gibt’s die beiden Songs der ersten – freilich längst vergriffenen – Single („Forsaken Speech“ und „Manners And Philosophies“) kostenlos dazu.

Wenn auf einer CD-Hülle ein Sticker draufklebt, auf dem „MTV Lieblingslied“ steht, darf man gerne ganz prophylaktisch richtige Scheißmusik erwarten. Ganz so schlimm ist „Hey There Delilah“ (Hollywood/Records)von Piain White T’s dann iberdoch nicht. Die Streicherballade der Band aus Chicago ist irgendwie gut, weil sie einerseits Conor-Oberst-Sensibilitäten weckt, auf der anderen Seite aber auch von einer schrecklichen Cheesyness ummantelt wird. Sowie damals „’74-’75“ von The Connells, oder andere peinlichste Lieblingslieder.

Wenn der Plattenindustrie überhaupt nichts mehr Doofes einfällt, installiert sie eine „R’n’B-Girlgroup. Die hier heißt Sistanova und besteht aus drei 17-jährigen, die natürlich alle total frech, schrill und postfeministisch drauf sind. „Was ist los?“ (Warner) ist furchtbarer, designter Plastik-Pop. Im Vergleich dazu klingt „Hot Summer“ von Monrose wie britischer Avantgarde-Jazz. Echt jetzt.

Zwei Helden verschiedener Ausprägungen der 80er-Jahre machen gemeinsame Sache: Adamski(of-„Killer“-fame)und Mark Stewart, Sänger von The Pop Group, einer der abgefahrensten Bands der Welt, nehmen sich als Adam Sky Vs. Mark Stewart des alten Pop-Croup-Klassikers „We Are All Prostitues“ (Exploited/Groove Attack) an. Der wird zu einem Acid-quietschenden Elektrorocker. Bemerkenswert auch: der abgebremste“Shadow Dancer Rmx“ (aka Boys Noize) und der „Princess Superstar Rmx“. Demnächst in der Rotation im Club Ihres Vertrauens.