The Rolling Stones – Truth & Lies

Nicht nur im Bereich Printmedien erhöht sich die Zahl der Biografien über „The world’s greatest rock’n’roll band“ beinah monatlich. Auch der DVD-Markt ist überschwemmt mit sogenannten „Critical Reviews“ selbsternannter „Kenner“, die ein miserables Produkt nach dem anderen vorlegen. Truth & lies macht insofern die Ausnahme, weil keine Neunmalklugen sich über die mehr als vier Dekaden Karriere von Mick, Keith und Co. auslassen, sondern schlicht ITN-Wochenschau-Archiv im Original ausgewertet wurde.

Erstaunliches förderte man da zutage. Etwa die schüchternen Anfänge in diversen Clubs im noch nicht swingenden London in verkratztem Schwarzweiss. Frühe Porträts der Stones als die rau, rüde und absolut dem Blues verschrieben waren. Die ersten landesweit dokumentierten Tourneen in Farbe mit völlig außer Kontrolle geratenen Teenagern beiderlei Geschlechts präsentieren dann eine Formation, die nicht nur mit der Hysterie gelernt hat zu leben. Absoluter Fan-Favorit in der frühen Ära 1964/65 ist nicht „old rubber lip“ Mick, sondern der stets flamboyant gekleidete Brian Jones.

Ein Mini-Skandal erschüttert die Grundfesten des altehrwürdigen England, als Bassist Bill Wyman beim „öffentlichen“ Urinieren an einer Tankstelle erwischt wird. 1966 avanciert dann die Metropole an der Themse zum allgegenwärtigen Pop-Zentrum der Gegenkultur, wie gleich mehrere kleine Dokus mit einem Rundgang durch Chelsea, Kensington und Notting Hill Gate demonstrieren. Mittendrin die wie Barock-Prinzen gekleideten Rolling Stones.

Der legendäre Prozeß um die Redlands-Drogen-Party zeigt Impressionen vordem Gerichtgebäude in Chichester Mick und der ebenfalls angeklagte Galerist Robert Fraser in Handschellen. Mick und Keith vor und nach nach der Urteilsverkündung. Mick und Freundin Marianne Faithfull im Blitzlichtgewitter der Fotografen. Fans die im Hyde Park gegen die Gefängnisstrafen demonstrieren. Ebenfalls dokumentiert: die diversen Gerichtverhandlungen des immer zerütteter wirkenden Brian Jones und sein rnysteriöser Tod im Swimming-Pool im Juli 1969.

Lustig hingegen die Sahnetortenschlacht im Dezember 1968 anläßlich der Veröffentlichung von beggar’s banquet. Drei Jahre später heiratet Mick die aus Nicaragua stammende Bianca unter einem aufsässigen Pulk an Journalisten. Fotografen und Neugierigen in St. Tropez -im Zorn über die lästigen Verfolger bricht er die Zeremonie beinah ab. Bei der 72er Tournee durch Amerika, allzu detailliert aufgezeichnet im bis heute unter Verschluß liegenden Kinofilm „Cocksucker Blues“, ist der Status der Stones schon jenseits von Gut und Böse. Selbst Keith Richards Toronto-Bust wegen Heroinbesitz 1977 kann da nichts mehr dran ändern, Truth & lies mag meilenweit davon entfernt sein, die definitive Doku über die Steine zu sein, doch sind die 90 Minuten verdammt unterhaltsam.

www.therollingstones.de/