The Rolling Stones
HACKNEY DIAMONDS
Universal (VÖ: 20.10.)
Rock’n’Roll aus einer aufgeräumten Rumpelkammer.
Das Einzige, was man an der furiosen Leadsingle „Angry“ kritisieren konnte, war ihre auf Hit getrimmte Produktion. Schließlich waren die Stones immer am besten, wenn aus ihren Songs Wolkenkratzer wurden, obwohl der Bau eigentlich in sich hätte zusammenkrachen müssen. Vor allem die raffinierten Jazz-Schlenker von Drummer Charlie Watts und Keith Richards’ instinktives Gitarrenspiel verliehen dem Sound der Band gerne etwas Unvorhersehbares, Unwahrscheinliches und oft genug auch Gefährliches.
AmazonDiese Elemente fehlen auf HACKNEY DIAMONDS, ihrem 24. Studioalbum, weitgehend. So clean wie auf „Whole Wide World“ und ausgerechnet einem Song namens „Mess It Up“ waren die Stones selten; einzig der Outro-Jam von „Angry“ und die Westernnummer „Dreamy Skies“ atmen den spontanen Spirit der Zügellosigkeit von etwa EXILE ON MAIN ST. Der 2021 gestorbene Watts ist noch auf zwei Stücken zu hören, seinen Job übernimmt druckvoll, aber ohne größere Risiken Steve Jordan. Der von Stammproduzent Don Was und Neuzugang an den Reglern, Wunderkind Andrew Watt, ausgeführte Pop-Anstrich geht auf Jaggers Geheiß zurück.
Das Songwriting ist tight wie seit Jahrzehnten nicht
Dabei steuert der auch, stimmlich von seinen 80 Jahren unbeeindruckt, der angestrebten Massentauglichkeit entgegen mit explicit lyrics wie „You think I’m your bitch, I’m fuckin’ with your brain“ und „If you look to be cruel, gonna fuck you in the ass“. Immerhin: Das Songwriting ist tight wie seit Jahrzehnten nicht. Dass die Stones kein neues Material benötigen, um eine Tour zu legitimieren, haben sie (sich) längst bewiesen. HACKNEY DIAMONDS klingt daher nach einer Platte, die sie machen wollten, nicht mussten.
Es ist ein Allstar-Album, dessen spielfreudige Allstars Jagger, Richards, Wood (und ein bisschen Watts) sind – die zahlreichen Gäste wie Paul McCartney, Elton John, Stevie Wonder und Bill Wyman hört man nur, wenn man sie hören will; Ausnahme bildet die stimmgewaltige Lady Gaga im Duett mit Jagger auf „Sweet Sounds Of Heaven“. Ob sich der Kreis mit dem fnalen, Bandnamen-gebenden „Rolling Stone Blues“ von Muddy Waters nun geschlossen hat? Nix da – laut Mick Jagger ist das nächste Album schon zu drei Vierteln im Kasten. Gut so, denn Satisfaction haben wir noch lange nicht, aber immerhin ein erstaunlich solides Album für den weiteren Weg dahin.