The Lemonheads

CAR BUTTON CLOTH

Fire Records/Cargo (VÖ: 31.1.)

Ein Übergangswerk mit Stolperfallen, das Evan Dandos Band im Umbruch und eine Rockkarriere im Zerbröckeln zeigt.

Musikexpress Badge
Empfehlungen der Redaktion

Das Problem dieses Albums war weniger ein musikalisches als eines des sich verändernden Zeitgeistes. Zwei, drei Alben lang wurden die Lemonheads als Stars im Warteraum gehandelt; der schöne Evan Dando war MTV-Celebrity, Cameo-Auftritt in „Reality Bites“ inklusive. Die Band schien spätestens mit den so eingängigen wie energiegeladenen Songs auf COME ON FEEL (1993) reif für die ganz große Karriere. Aber nach fünf, sechs satten Jahren schienen Stromgitarren US-amerikanischer Prägung 1996 schlichtweg nicht mehr interessant. Das lag einerseits an den Marktmechanismen, die Musikindustrie schien jede Garagenband unter Vertrag genommen zu haben, die musikalisch irgendwo im Spannungsfeld zwischen den Replacements und Nirvana agierte.

Vor allem aber setzten britische Künstler:innen die Impulse, was auch an den Lemonheads nicht vorbeiging, eine kleine, etwas hingeschlunzte Coverversion von „Live Forever“ fndet sich unter den Bonustracks dieses Albums. Wobei: Dass CAR BUTTON CLOTH von Publikum wie Popkritik ohne allzu große Emotionen durchgewunken wurde, lag auch an anderen Dingen. So waren die Lemonheads auf den beiden vorherigen Alben mit Juliana Hatfeld und Nic Dalton personell relativ stabil aufgestellt gewesen. Die waren raus, die Gruppe bestand jetzt aus ihrem Chef und ein paar Mietmusikern, lediglich das Schlagzeug bediente mit Dinosaur-Jr.-Drummer Murph ein Freund des Hauses.

Interessanter wird es, wenn Dando den Powerpop Powerpop sein lässt und uns in die Abgründe seiner Seele blicken lässt

Der größte Hit des Albums, „The Outdoor Type“, ist eine Coverversion von den australischen Freund:innen Smudge. Der Song bewegt sich ebenso wie das flotte „If I Could Talk I’d Tell You“ in den bewährten Pfaden der beiden Vorgängeralben, ohne allerdings deren Wucht zu erreichen. Interessanter wird es, wenn Dando den Powerpop Powerpop sein lässt und uns in die Abgründe seiner Seele blicken lässt. „Losing Your Mind“ ist so ein Song: „I’ve tied a tired knot and tried to untie it. Just can’t decide if I should lie or tell the truth and try to hide it“, singt Dando hier, kurz muss man an „Ride With Me“, den Kern des 1990 erschienenen vierten Lemonheads-Albums LOVEY denken.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

An anderer Stelle blickt das Album Richtung Country („Knoxville Girl“) und Punk („6ix“). Das abschließende „Secular Rockulidge“ schleppt sich schließlich durch weite, epische Klanglandschaften, bevor ein Sound die Vorherrschaft übernimmt, der Hardcore New Yorker Bauart mit klassischem Heavy Metal kreuzt.

Kurzum: Das Album ist ganz schön zerschossen

Kurzum: Das Album ist ganz schön zerschossen, gerne hätte man eine Videoaufzeichnung zur Hand, die die Gesichter der Verantwortlichen bei Atlantic Records zeigt, als sie das erste Mal diese Songs hörten. Dass Dandos Zeit beim Majorlabel mit dieser Veröffentlichung ablief, ist kaum verwunderlich. CAR BUTTON CLOTH erscheint retrospektiv wie eine Transition. Aus Dando, dem Rockstar, wird wieder Dando, der Songwriter. Nicht jede Idee geht dabei auf, andererseits ist genau das bis heute das Interessante an diesem Mann: Er ist der König von Scheißegalien, aus seiner Weigerung, die Regeln zu befolgen, entstehen neue Varianten des Spiels. Jeder, der schon mal auf einem seiner Konzerte war, weiß das.

Youtube Placeholder

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Youtube
Um mit Inhalten aus Sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.

Das Doppel-LP-Reissue unterstreicht diese These mit reichlich Bonusmaterial. Darunter eine noch eingängigere Version von „The Outdoor Type“ (der Rezensent empfehlt: Hören Sie sich bitte auch das Original von Smudge an) und B-Seiten, etwa das wunderbare Jacobites-Cover „Pin Yr Heart“, das sich auch auf dem Album gut gemacht hätte. Ohnehin glänzt Dando hier mit zahlreichen Fremdkompositionen, zwei davon bildeten die letzte offizielle Lemonheads-Single vor dem Comeback 2006; eigentlich haben sie mit diesem Album nicht viel zu tun: „Balancing Act“, im Original von den Volcano Suns und der Jimmy-Webb-Track „Galveston“ leben vor allem durch die handfeste Heartland-Rock-Gitarre von Immer-mal-wieder-Lemonhead John P. Strohm.

Der einzige bisher unveröffentlichte Track ist „ Arise“; eine an Eighties-Rockballaden erinnernde, nun ja, Rockballade, aus der Dando auf seiner nächsten Veröffentlichung, dem Soloalbum BABY I’M BORED (2003), den Song „Rancho Santa Fe“ ableitete. Was hingegen fehlt, ist ein Track, über den seinerzeit alle sprachen, wenn es um dieses Album ging. Irgendwo im Gras hinter der Glastonbury-Bühne hatte Dando seinerzeit einen Song mit Noel Gallagher geschrieben. „Purple Parallelogram“ hieß der, fand sich sogar auf frühen Promos, wurde dann aber auf Geheiß des Briten zurückgezogen. Wer sucht, wird im Internet fündig – und dann feststellen, dass sich die Zusammenarbeit interessanter liest, als sie letztendlich klingt.

Welche Alben im Januar 2025 noch erschienen sind, erfahrt ihr über unsere monatliche Veröffentlichungsliste.