The Grandmaster :: Regisseur: Wong Kar Wai

Ein Kampfsportfilm, in dem die nur die Hiebe zählen, die keine Treffer sind: Wong Kar Wai zelebriert das Leben von Ip Man als Oper der Einsamkeit und Entbehrung

Die traurigsten Filme der Kinogeschichte hat Wong Kar Wai gedreht, Geschichten über melancholische Männer, unerreichbare Frauen und die Unmöglichkeit der Liebe, die er mit einer assoziativen Bildsprache verdichtet wie kein anderer. Das trifft auf den schwärmerischen Sturm und Drang der frühen Filme wie „ Chungking Express“ und „Fallen Angels“ zu wie auch auf die monolithischen Meisterwerke, „In the Mood for Love“ und „2046“. Nur folgte danach Leere, Einfallslosigkeit mit seinem ersten englischsprachigen Film, „My Blueberry Nights“, der wirkte wie ein Sampler der besten Momente seiner asiatischen Filme. Danach Funkstille, sechs Jahre lang. Und jetzt die Neuerfindung mit dem aufwändigsten Mammutprojekt der Karriere.

„The Grandmaster“ ist der erste Film Wongs über eine real existierende Figur, über den in China legendären Kampfkunstmeister Ip Man, der den Kung-Fu-Stil des Wing Chun über die Grenzen seiner Heimat popularisierte und im Westen vor allem bekannt ist als Lehrer von Bruce Lee – besetzt mit seinem Lieblingsschauspieler Tony Leung und der unvergleichlichen Zhang Ziyi, die nie schöner und graziler war als hier. „Zwei Worte, eines horizontal, eines vertikal. Wer liegen bleibt, hat verloren. Wer am Ende steht, ist der Gewinner“: Wiederholt wird der Film auf diese Beschreibung des Wortes Kung Fu zurückkommen. Sie charakterisiert die erste Hälfte, die sich eng an die Vorgaben gängiger Biopics hält und Ip Mans Werdegang fokussiert: von seiner Perfektion im Umgang mit seiner Kampfkunst, von der entbehrungsreichen Zeit während der japanischen Besetzung, von Zusammenbruch und Verlust und vom Neuanfang mit ersten Kampfschulen in Hongkong. Sie beschreibt aber auch leitmotivisch die eigentliche Geschichte, die Wong zwischen den Bildern zelebriert, wie nur er es kann, und nach dem konventionellen Anfang immer stärker in den Vordergrund drängt: die verbotenen Gefühle zwischen dem verheirateten Helden und der Tochter des alten Großmeisters, die die einzige ist, die Ip Man jemals besiegte. Sie zehren von und verzehren sich an den kleinen gemeinsamen Momenten, den Beinahe-Berührungen während ihrer zwei Kämpfe, die hier eine Sinnlichkeit erlangen, die sich mit den Tango-Sequenzen in „Happy Together“ durchaus messen kann: Ein Kampfsportfilm wider alle Konvention ist „The Grandmaster“ geworden. Und ein trauriger Film. Über einen melancholischen Mann und eine unerreichbare Frau und die Unmöglichkeit der Liebe. Wie immer bei Wong Kar Wai. Und doch ganz anders und neu.

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