The Fiery Furnaces – Blueberry Boat

Es war wohl die Vollendung im Skizzenhaften, die das Debüt der Fiery Furnaces so reizvoll machte, gallowsbirds bark war damals „Platte des Monats“ im Musikmagazin Ihres Vertrauens. Es klimperte das Piano, es schrammelte die Gitarre, hölzern hoppelte ein Schlagzeug, und Matt Friedberger wechselte sich mit seiner Schwester Eleanor am Mikro ab wobei sie weniger sang, sondern ihre surrealen bildmächtigen Texte in der ehrwürdigen Tradition des „talking blues“ zum Vortrag brachte. Manche Stücke waren kaum zwei Minuten lang und mussten tagelang auf Repeat gehört werden, damit man endlich irgendwann genug davon hatte. All diese Tugenden sind auf blueberry boat enthalten, eingeschlossen wie eine Fliöge in Bernstein. Denn wenn die herrlich hingetupften Skizzen hier zu sieben-, acht- oder gar zehnminütigen Epen hintereinander gekoppelt, geschichtet und variiert werden, wie soll man das anders nennen als: Prog, abzüglich des Pathos? War gallowsbirds bork eine gerade mal halbstündige Sammlung aus gesplittertem Bluesrock, erstreckt sich Blueberrv boat auf fast 80 Minuten als ein einziges Stück, ineinander übergehend, miteinander korrespondierend. Loops, Bläser, fettige Keyboards und brüllende Gitarren gibt es hier und werden behandelt wie Versatzstückte, arrangiert von einem wahnsinnigen, aber sehr cleveren DJ. „I Lost My Dog But Now He’s Found“ beispielsweise entrollt sich auf fast acht Minuten, wobei bei jedem Vers die Instrumente gewechselt werden, während nebenbei die elektrischen Beats aus einem früheren Song kurz vorbeischauen und die Streicher aus einem späteren Song sich schon mal ankündigen. Manchmal stampft mitten hinein in eine wunderhübsche Klaviermelodie ein Schlagzeug, völlig aus dem Takt, stampt aber weiter, während Eleanor Friedberger seelenruhig und in einem anderen Rhythmus ihre Geschichte zuende erzählt, bis es endlich übernehmen kann, das Schlagzeug, und eine neue Idee zur Entfaltung gebracht wird – ohne dass damit ein neuer Song beginnen würde. Und in „Quae Cur‘ singen Bruder und Schwester abwechselnd völlig verschiedene Parts, bis sie am Ende doch gleichzeitig die gleiche Melodie intonieren – aber mit unterschiedlichem Text, als sängen sie gegeneinander an. Eine eigentümliche Spannung hat das, ohne jemals hektisch oder bemüht zu klingen. Mag sein, dass manch ein Gitarrensolo an Pink Floyd oder The Who erinnert, kann sein, dass Matt manchmal wie Peter Gabriel klingt und die Keyboards schmieren wie weiland die von Rick Wakeman mit verschwiemeltem Progrock hat das alles nichts zu tun. Prog, das war dieser eitel prachtvolle Palast, den der Punk 1977 zum Einsturz brachte. Unsentimental. neugierig und ernst spielen ein Vierteljahrhundert später in seinen überwucherten Trümmern wie verirrte Kinder The Fiery Furnaces.