The Fall :: Parlophone/EMI

Alternative Hip-Hop, Elektro-Pop und etwas Country: Nur neun Monate nach Plastic Beach platzt Damon Albarn wieder der Schädel vor Ideen.

Was hat Damon Albarn kurz vor Jahresende 2010 zur Veröffentlichung dieses während der Nordamerika-Tour seiner Gorillaz auf dem iPad aufgenommenen Albums getrieben? Trotz? Weil sein erstes 2010er-Album Plastic Beach weltweit wider Erwarten nur eine gute Million verkaufte und keine einzige Hit-Single zustande brachte? Unheilbare Geltungssucht? Weil ihm entgegen seines Jahrhunderttalents an Wandlungsfähigkeit der Status eines David Bowie zu Lebzeiten einfach nicht zuerkannt wird? Oder will er zeigen, dass all die Gaststars auf den letzten Gorillaz-Alben wirklich nur Beiwerk waren und die musikalische Seite des Projekts allein Damon Albarn heißt? Dafür spricht, dass es für The Fall (auf unten angegebener Adresse im Stream; physischer Release soll im Lauf des Jahres folgen) keine Post-Production gab, über Albarns Laptop-Spuren ging kein Danger Mouse, kein Dan The Automator drüber. Bis auf sehr wenige Ausnahmen (einzig gewichtige: Bobby Womacks Gesang auf dem Future-Soul-Stück „Bobby In Phoenix“) entstammt dieses 15 Songs starke Werk dem Hirn, den Fingern und dem Mund Albarns. Nicht mal Mark E. Smith spielt wieder mit, auch wenn das bei diesem Albumtitel schön gewesen wäre. Doch die Platte ist ja nicht nach der gleichnamigen Band benannt, sondern nach dem, was Albarn so gesehen hat, als er aus dem Tourbus blickte: Herbst. So sind die Songs nicht nur aufgrund ihrer Lo-Fi-Produktion karg gehalten. Sie sind (meist rein instrumental übertragene) Stimmungsbilder aus dem Kopf eines Mannes, der nicht abschalten kann, dessen größte Liebe die Muse ist, die ihn bis an sein Lebensende küsst, Produkt dieser Liebe ist eine reiche Schar an Ideen. Einige davon hätte Albarn vielleicht noch etwas wachsen lassen sollen, bevor er sie in die weite Welt entlässt. Die angedeutete Intensität des viel zu kurzen „The Parish Of Space Dust“ und der Country-Elektro-Pop-Mash „HillBilly Man“ etwa hätten – in ausgereifter Form – die Hits auf dem nächsten „richtigen“ Gorillaz-Album sein können, die Plastic Beach offensichtlich fehlten. Vermutlich funktioniert The Fall aber ohnehin wie Albarns 2003er-Stoffsammlung Democrazy, aus der später Kracher wie „Dirty Harry“ hervorgingen. Abwarten und hoffen. Zuvor widmet sich Albarn erst mal dem Soundtrack zur Verfilmung einer Kurzgeschichte seiner Schwester Jessica, „The Boy In The Oak“. Das treibt diesen Mann also auch: Blut.

http://thefall.gorillaz.com