The Dresden Dolls – The Dresden Dolls

Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass der kulturelle Underground in Nordamerika immer dann aufblüht, wenn mal wieder eine reaktionäre republikanische Regierung an der Macht ist und alles tut, um Kunst, Literatur und Musik zu zensieren und zu kontrollieren. Gruppen wie The Dresden Dolls geben dieser Theorie nachhaltig Recht: Das Duo Amanda Palmer und Brian Viglione ist so schrill, so extrem und so arty. wie es nur sein könnte. Weil die Dresden Dolls sich nicht allein auf die Musik und dann noch auf ein gitarrenfreies Instrumentarium aus Klavier und Schlagzeug konzentrieren, sondern darin nur einen Teil ihrer theatralischen Performance sehen. Die erinnert ans Berliner Kabarett der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts: Weiß geschminkt, im edlen Smoking oder im Abendkleid mit Strumpf und Strapse, wirken die beiden wie Relikte aus einer vergangenen Zeit, als Bühnenperformance noch Eleganz und Erotik ausstrahlte – und Musiker auch Schauspieler waren, statt sich nur hinter Masken oder Fantasiekostümen zu verstecken. Insofern sind die Dresden Dolls zwar das Gegenstück zu Slipknot oder Gwar, dennoch haben sie mit ihnen zumindest eines gemeinsam: die Subversivität, die Systemkritik und die Andersartigkeit. Denn sie passen sich nicht an, sie rebellieren. Wenn auch auf sehr gefühlvolle, filigrane Weise – mit großen Pathos-Pop-Stücken wie dem Opener „Good Day“, mit punkigen Wut-Ausbrüchen wie dem grotesken „Girl Anarchronism“, mit schwerem Brechtschen Piano-Minimalismus wie in „Missed Me“, und, und, und. Diese Platte, die in den Staaten bereits seit einem Jahr auf dem Markt ist und überall als Geniestreich gefeiert wird, ist wie eine gemeinsame Performance von Nick Cave, Violent Femmes und Tom Waits im Circus Roncalli. Klingt komisch und ist auch komisch. Aber genau darin liegt der Reiz. The Dresden Dolls sind wirklich etwas ganz anderes.