The Dresden Dolls – No, Virginia

Weil es angesichts eines geplanten Alleingangs von Amanda Palmer noch etwas dauern dürfte, ehe ein wirklich neues Album des Bostoner Duos erscheint, legen die beiden erst einmal eine Compilation vor. Elf Stücke aus dem reichhaltigen Fundus der Dresden Dolls, die eigentlich als Lückenfüller dienen sollen, sich stattdessen aber als Appetithappen erweisen. Denn allein die fünf Archiv-Juwelen, die die Dresden Dolls vor wenigen Monaten komplett neu aufgenommen haben, machen Lust auf mehr: Großer, melodramatischer Piano-Pop mit Ecken und Kanten, kraftvollem Gesang und bissigen Texten („Nothing is crueler than children from good homes“). Tori Arnos trifft Tom Waits und Panic At the Disco. Wobei auffällt, dass alte Demos wie „The Mouse And The Model“ viel schüchterner und verhaltener sind, und Material wie „The Gardener“, das es nicht auf den zweiten Longplayer von 2006 geschafft hat, eine weitaus düsterere und bedrohlichere Grundstimmung besitzt. Amanda und Brian sind also selbstbewusster, zugänglicher und ambitionierter geworden, was sich auch im wunderbaren „Sorry Bunch“ äußert-einem Gute-Laune-Pop-Song mit fiesem Miesepeter-Text. Weiteres Highlight: das Cover des Psychedelic Furs-Klassikers „Pretty In Pink“ (mit Akkordeon!), wobei Amanda Palmer zwar nicht ganz an den triefenden Zynismus von Richard Butler herankommt, dafür aber in „The Kill“ eine umso überzeugendere Psycho-Mörderin zu leisen, verträumten Piano-Klängen gibt. Ein spannender Gegensatz, den sie wie keine Zweite inszeniert. Einfach, weil man sich bei ihr nie sicher sein kann, sie wirklich ausgemacht und durchschaut zu haben. Und je verträumter, romantischer und zutraulicher die Musik, desto schärfer die lyrischen Krallen der Protagonistin, die im finalen „Boston“ noch einen nonchalanten Abgesang auf ihre Heimatstadt hinlegt. Mal sehen, was sie auf ihrem Soloalbum who killed amanda palmer (Veröffentlichung voraussichtlich im September) macht… VÖ: 16.5.

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