The Dodos – Visiter

Willkommen im vorprofessionellen Raum. Diese Lieder wurden aufgezeichnet von viel zu vielen billigen Mikrofonen, aufgestellt an allen möglichen Ecken und Enden einer Lagerhalle, einen „Tunnelsound“ hatte die Band im Sinn. Sauber klingt hier nichts, die Drums donnern extradumpf, die Gitarren werden mit einem Grinsen in den roten Bereich gefahren. Wenn man sich dazu einen Sänger vorstellt, der so unschuldig tiriliert wie einst Beatle Paule oder so phänomenal melancholisch brummt wie Stephin Merritt, dann fügt sich langsam etwas zusammen, zu einem Hörbild, für das die Dodos aus San Francisco verantwortlich zeichnen: Es besteht aus den vermeintlichen Gegensätzen, die sich im konzentrierten Spiel von Merk Long und Logan Kroeber auflösen. Ich erinnere nur an Led Zeppelin III: Page und Plantstehen natürlich heute noch als Erfinder des Hardcore Folk da (Anspieltipp: „Bron-Y-Aur Stomp“). Die Dodos sind vor allem die Geschichte einer Enthemmung, wie man sie langer nicht gehört hat. Diese Geschichte erzählt. wie aus der One-Man-Folkband Meric Long das Zweimannhochdruckorchester wurde, das diesen Folksongs nun mit dem Feingefühl einer Heavy-Metal-Combo zu Leibe rückt. Dabei ist die Rolle von Trommler Logan Kroeber von besonderem Interesse, der Longs Lieder auf langen rhythmischen Bahnen ausrollt und beinahe platt trampelt. Oder einfach einen Track im Paralleluniversum spielt, wie im fantastischen zweiten Teil des siebeneinhalbminütigen „Joe’s Waltz“, einem blutigen Stück Blues, in das er dann immer wieder eindringt mit dem Klappern der Drumsticks- hintendran das infernalische Geschrei der Männer. Long & Kroeber spielen sich schon in seltsame Ekstasen, schneller, immer schneller, sie scheppern und jubeln sich an diesen Songs richtig gesund. Das klingt so gut, dass man auf der Stelle mitmachen und in diesem genialen Gepolter verschwinden möchte. Zwischendurch richten die Dodos ihr Psychedelic Breakfast an („Ashley“) oder spielen Blasmusik. Es herrscht aber auch keine Knappheit an großen Popmelodien, über all diesen Urgewalten schwebt wechselweise hübsches oder hübsch trauriges Summsumm herum.Viel mehr muss eine Platte nicht aufbieten, Visiter wird man deshalb wohl bald in einem Atemzug mit jenen Alben nennen dürfen, die das Vokabular der aktuellen Unterhaltungsmusik in den letzten Jahren freundlich erweiterten. Haben Sie Ihren Gehörschutz auch dabei? Sie befinden sich gerade auf der Intensivstation Pop. VÖ: 1.8.

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