The Cure :: Join The Dots: B-Sides & Rarities 1978-2001 (The Fiction Years)

Ein Schwindel, Kopfschütteln und wieder viel Herzschmelzen erregender Blick in eine seltsame Parallelwelt, die die Wavepop-Stars quasi heimlich schufen.

„Das erste was ich machte, wenn ich eine neue Single hatte, war“, erinnert sich Robert Smith an die Zeit seiner eigenen Jugend als Fan von Bands wie T. Rex: die andere Seite spielen. Ich habe immer gehofft, dass die B-Seite mir eine weitere Seite des Künstlers zeigen könnte, etwas, was so gut ist wie die A-Seite, aber irgendwie anders. “ So sollte sich auch Smiths Kapelle The Cure selten damit zufrieden geben, nur einen zweitklassigen Albumtrack an jene meist vernachlässigten Orte der Vinylplattengeschichte zu verbannen. Fast aus jeder Studiosession fielen ohnehin einige Songs ab, für die auf den Longplayern kein Platz mehr war. Denn tatsächlich waren und sind The Cure weitaus produktiver, als es das verschnarchte Image erwarten ließe. Polydor öffnet nun, nachdem der um mehr Unabhängigkeit verlangende Barockpop-Altmeister Smith zuletzt keinen neuen Vertrag abschließen wollte, mit dieser Vier-CD-Box sein Archiv und versorgt die Freunde einer der wenigen stilbildenden Gruppen der Achtziger, die bis heute überlebt haben, mit allen b-sides und jeder Menge rarities 1978-2001. Wer die Audiokassetten-Version der Singles-Collection standing on a beach besitzt, hat freilich schon die B-Seiten bis 1986 beisammen. Allerdings kann Polydor nun damit werben, dass 25 der 70 auf b-sides & rarities versammelten Songs zum ersten Mal auf CD zu erhalten sind, zehn Stücke und Bearbeitungen bislang überhaupt noch nicht veröffentlicht worden waren und vor allem Robert Smith selbst remasternd, kompilierend sowie launig kommentierend und aus dem Privatarchiv bebildernd seinen Segen zu dieser Box erteilt hat. Unterhaltsam ist es allemal, in diese zuweilen obskure Welt einzutauchen aus hinreißenden Pop-Fundstücken wie „To The Sky“, „A Few Hour After This…“ oder „2 Late“, dem albernen Recording-Debüt nach Sieg bei einem Rockwettbewerb namens „Do The Hansa“, unerreicht pathetischen Dreingaben wie „Breathe‘ oder „Snow In Summer“, die in der besonders produktiven kiss me. kiss me, kiss ME-Phase der Band 1987 schon das klagevolle Nachfolgealbum DISINTEGRATION vorweg nahmen oder eine Reihe von B-Auswahlstücken der Achtziger, die zuweilen als Parallelwelt-Versionen bekannter Standards ungläubiges Kopfschütteln hervorrufen: So übertrug das instrumentale „Another Journey By Train“ das Stück „Jumping Someone Elses Train“ ins formal strengere 17 SECONDS-Zeitalter; „Speak My Language und „Mr. Pink Eyes variierten Bseits die Idee vom Swing der schrägen, plötzlich aufgescheuchten Krähenvögel mit Besenschlagzeug und Barpiano, die Cure schließlich den alle Verhältnisse auf den Kopf stellenden Hit „The Lovecats“ einbrachte; „A Man Inside My Mouth lag hingegen das gleiche Muster zu Grunde, das die Hechelorgie „Close To Me“ zum Indiedisco-Floorfiller machte. Wie gesagt: Kurzweilig sind diese so verwegenen wie kuriosen Fundstücke allemal. Leider lässt sich das aber nicht für viele der standardisierten Schlurfer sagen, die mit hinlänglich bekannten miteinander verwobenen Gitarren- und Keyboardmotiven die unendliche Schwerenot Smiths in der Folge durch die Neunziger tragen halfen. Und auch die Coverversion als solche iBowie, Depeche Mode, Hendrix, Doors etc. – zumeist überproduziert und entweder orientierungsoder phantasielos interpretiert) ist sicher keine Disziplin, mit der The Cure in die Geschichte eingehen werden. Vielleicht wäre einfach auch etwas weniger Komplettierungswille angebracht gewesen, um diese Box kompakter zu gestalten. Denn wer braucht schon drei Versionen von Cures Darstellung von „Hello I Love You“?