Swan Song :: Black Swan
Von Darren Aronofsky, USA 2010
mit Natalie Portman, Vincent Cassel, Mila Kunis
Wie in einem Spiegel: Natalie Portman im Jahrmarkt der Obsessionen.
Rote Schuhe. Schwarzer Schwan. Darren Aronofsky weiß, dass ein Film über das Ballett, den kreativen Impetus und das obsessive Streben nach Perfektion, das zwangsläufig in der Katastrophe enden muss, mit Michael Powells legendärem Technicolor-Rausch Die roten Schuhe von 1948 verglichen werden muss. Er macht das einfach Richtige: Er geht dem Vergleich nicht aus dem Weg, sondern nutzt das Wissen um Powells grandioses Poem über Künstler und ihr Verhältnis zur Kunst als Sprungbrett für einen Film, der zwar ebenfalls große Oper ist, aber in seiner schizophrenen Rauschhaftigkeit doch weniger Powell evoziert, sondern den anderen großartigen Perversen des Kinos des 20. Jahrhunderts: Black Swan ist wie Die roten Schuhe durch den Spiegel von Brian DePalma und dessen krankhafte Amplifikation der Besessenheitsmotive Hitchcocks gefilmt. Und es ist die absolut atemberaubende Höllenfahrt der genialischen Tänzerin Nina, gespielt von Natalie Portman, die man ihr zugetraut, aber nicht erwartet hat. Wow. Motive aus Aronofskys Vorgänger The Wrestler blitzen immer wieder auf, wenn man Zeuge werden darf in diesem Psycho-Horror, wie die Hauptfigur im Ringen um die Doppelrolle des weißen und des schwarzen Schwans in einer Aufführung von „Schwanensee“ zusehends die Realität aus den Augen verliert. Die vermeintliche Konkurrenz mit der ehrgeizigen Mutter, die Sorge, die anderen in der Truppe könnten sie nicht sinnlich genug finden, die Angst vor einer vermeintlich entspannteren Kollegin treiben die Tänzerin in eine Paranoia, die sich schließlich in Gewalt entladen muss. Es ist ein Film, der eine beträchtliche Sogwirkung entfaltet, ohne sich jemals beim Zuschauer anzubiedern. Die Arbeiten von Filmemachern wie Roeg (Performance, Wenn die Gondeln Trauer tragen), Losey (The Servant) oder Ken Russell (Mahler) fallen einem ein beim Betrachten dieser meisterlichen Fingerübung in Mindfuck – die großen Irren des zeitgenössischen Kinos, in deren Reihen Darren Aronofsky endgültig angekommen ist. Mit einem Unterschied: Der Zuschauer muss nicht kämpfen, auf einer Augenhöhe mit dem Film zu bleiben. Er muss vielmehr darum kämpfen, von Black Swan nicht samt und sonders verschluckt zu werden.
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