Steely Dan
PRETZEL LOGIC
Geffen/Universal (VÖ: 28.7.)
Smarter Seventies-Rock mit Jazz-Tönung, der streckenweise Pop-Wohlklang verbreitet.
Dass die Rockmusik gegen Mitte der Siebzigerjahre aus heutiger Perspektive jede Menge Fettnäpfchen bot, in die man als damals handelsüblicher Gitarrengott oder lockenprächtiger Groupie-Beglücker mit Anlauf springen konnte, steht außer Frage. Anders gesagt: Die etwa zeitgleich aufkommende Punkbewegung hatte ihre Gründe. Doch Stereotype helfen einem im Falle Steely Dans kaum weiter. Natürlich spielten sie Rockmusik, allerdings vorgetragen mit jazziger Leichtigkeit, kompositorischer Rafinesse sowie einer offenen Flanke zum Radio Pop, die bei „Rikki Don’t Lose That Number“ gewiss am ofensichtlichsten wurde.
AmazonZukünftige Punks durften, ja mussten das alles zwar dennoch komplett verzichtbar fnden, doch zumindest in Fragen der bis zur Lächerlichkeit überstrapazierten Rockstar-Klischees waren Steely Dan genauso unschuldig wie etwa die Sparks oder Roxy Music. Denn bei ihnen schwang stets diese New Yorker Ostküsten-Smartness mit, jenes leicht sarkastische „tongue-in-cheek“, das den meisten zeitgenössisch rustikal rockenden US-Bands schlichtweg abging. Für hemdsärmeliges Amüsement waren die Ex-Studenten Donald Fagen und Walter Becker, das kreative Zentrum Steely Dans, nicht einmal dann zu haben, als sie 1971 ins ferne und musikalisch nicht ganz zu Unrecht zweifelhaft beleumundete Los Angeles übersiedelten, wo kurz darauf auch ihr drittes Album PRETZEL LOGIC entstand, das schließlich Anfang 1974 erschien.
Stereotype helfen einem im Falle Steely Dans kaum weiter
Zwar hatten zwischenzeitlich Westcoast-Harmonien Einzug gehalten, doch eine großartige Nummer wie „Through With Buzz“ kommt im europäischen Format mit leicht barockem Einschlag, während das nicht minder feine „Charlie Freak“ einen Artrock-Ansatz pflegt, ohne dabei in genretypische, oft ein wenig zwanghaft originelle Spielereien und Länglichkeiten abzudriften, denn nach zwei Minuten und 45 Sekunden ist die Junkie-Moritat schon wieder vorbei. Junkie-Moritat? Genau. Denn so locker, leicht und luftig wie etwa „Rikki Don’t Lose That Number“, „Barrytown“ oder „Any Major Dude Will Tell You“ auch klingen mögen – textlich waren Steely Dan gegen allzu kalifornischen Sonnenschein-Frohsinn erfreulich immun.
Als Fremdkörper, unter dem der Flow des Werks ein wenig leidet, irritiert nur das Instrumental-Cover von Duke Ellingtons „East St. Louis Toodle-Oo“. Ein Showcase für Gitarrist Jeff „Skunk“ Baxter, schon klar, in seiner sepiafarbenen Great-Depression-Ästhetik aber an der Grenze zur Parodie. Für die aktuelle Vinyl-Neuausgabe wurden die originalen Tapes digitalisiert und remastert, Bonus-Tracks sind allerdings nicht vorhanden. Die elf Originalsongs müssen reichen. Tun sie auch.