Spearmint – Paris In A Bottle

Wenn ich Paris nur in eine Flasche bekäme und die Zeit zurückdrehen könnte. Shirley Lee, Sänger und Geschichtenerzähler der wundersam unterbewerteten Band Spearmint, hat im Poesiealbum seiner besten Jahre nachgeschlagen und wird nun mit der ersten vollromantischen Platte dieses Jahres vorstellig. PARIS IN A bottle ist ein novellenartiges Song-Patchwork besonderen Inhalts geworden: Shirley Lee erzählt über die Strecke von elf Liedern von vier Fremden, die vor vielen Jahren gemeinsam eine Nacht in Paris verbrachten und sich seither nie mehr gesehen haben. Ein Konzeptalbum? Von mir aus, doch in diesem Konzept gibt es alles, was zur Beschallung post-adoleszenter Lust- und Frustspiele taugt und eine gute Erdung in den 6oer und 80er Jahren verrät: die bildhübsche Melodie, die immer ganz oben ist bei Spearmint. die Namen von Mädchen, die freilaufenden Streicher und gesunden Chöre, die Bapbadaps, die London mal so swingend gemacht haben, aber auch mal ins Hier und Jetzt lugen. Man könnte mit Recht über jeden Song ins Schwärmen kommen, besonders gut gefallen hat mir „Psycho Magnet“, vielleicht auch, weil ich erst beim dritten Anlauf den Discobeat unter der Hurra-Melodie bemerkt habe. Eine Band wie Spearmint wird selbst die letzte Schlafmütze daran erinnern, dass das Wörtchen Pop einmal für Traumkino stand. Es handelt von ausgeleierten Tapes, vollgekritzelten Spielkarten, den Schuhen der/des Liebsten, ausgebreitet auf dem Teppich eines Jugendzimmers – und den Geschichten, die sich hinter all diesen Dingen entspinnen. Und davon, die Zeit zurückzudrehen, wenn man schon länger nicht genau weiß, was man mit seinem Leben anfangen möchte. Diese Flaschenpost enthält genügend hinreißende Sonntagnachmittagssongs, um pfeifend und köpfchenwippend über die nächste Woche zu gelangen, selbst wenn die Umstände lebensgefährlich sind: „I don’t ask where she’s goin/ I don’t ask where she’s been /My girlfriend is a killer.“ VÖ: 15.9.