Sinkane
Dépaysé
City Slang/Universal (VÖ: 31.5.)
Erdverbundener, emotionaler Gospel, Funk und Soul mit gehörigem Cometogether-Appeal.
„Everybody needs everybody“. Acht Mal wiederholen Vorsänger und Chor diese Zeile, und als der Eröffnungssong des neuen Sinkane-Albums schon seine Gospel-Funk-Spur gefunden hat, bekommen wir’s noch mal zum Mitschreiben gesungen: „We believe that everybody needs everybody“. Und dann wird dieser Riese von Cometogether-Song in die eine oder andere Steilkurve mit Chor geschickt, ganz die Hymne. Ein Bass-Riff als Intermezzo und weiter geht’s irgendwann mit spacigen Analogsynthies und E-Gitarrengegniedel in die wirklich letzte Runde.
AmazonDas Wort „Dépaysé“ stammt aus dem Französischen und lässt sich mit „verloren“ oder „aus der gewohnten Umgebung herausgerissen“ übersetzen. Das darf man als Kommentar auf die politischen Verhältnisse seit dem Amtsantritt von Donald Trump in den USA lesen, aber auch als Aufforderung, seine eigene Geschichte in einer Ära zunehmender Zumutungen neu und gegen jenen Strich zu schreiben, den eine vermeintlich große Politik vorgibt.
DÉPAYSÉ macht das oft in lauten, etwas aufgeblasenen Tönen, im Vergleich mit den subtiler gezeichneten Disco- und Soulbildern auf seinem letzten Album LIFE & LIVIN’ IT aus dem Jahr 2017 klingen diese neun neuen Songs wie eine Hitsammlung aus einem Broadway-Musical. Erdverbunden, emotional, mit dem Gebiss klappernd.
Diese stürmische Songkollektion hätte man von Ahmed Gallab, dem amerikanischen Multiinstrumentalisten sudanesischer Herkunft, und seiner Band jetzt dann doch nicht gerade erwartet. Es war das intensive Studium der Heimatlosigkeit im eigenen Land, das Gallab in diesen Galopp trieb. Ein musikalisches Gift gegen den inkommensurablen Wahnsinn, das sich hier in alle Klangritzen frisst.
Kein Missverständnis bitte, DÉPAYSÉ ist eine herzliche, umarmende Showmusik, sie kommt aber mit ein bisschen Verspätung aus der Ära von Jimmy Carter zu uns geflogen.