Sid & Nancy

Nach seinem viel gepriesenen Kinodebüt Repo Man schien Regisseur Alex Cox geradezu prädestiniert, eine filmische Biografie über das exzentrische Punk-Pärchen Sid Vicious und Nancy Spungen zu inszenieren. Das fertige Produkt jedoch entpuppte sich als seltsam krudes Drama mit nur wenig authentischem Punk-Lifestyle. Geriet doch vor allem die reichliche Ironisierung von Sex-Pistols-Frontmann Johnny Rotten und Manager-Diktator Malcolm McLaren derart daneben, dass selbst die an sich einfühlsamen Porträts von Gary Oldmans Sid und Chloe Webbs Nancy das nicht auffangen konnten. Recht wirklichkeitsnah und in authentischer Maske zeichnet der damalige Nachwuchsdarsteller Oldman Vicious als naiven Kindmann, dessen latente Aggression seine Verletzlichkeit kaum übertüncht. Webb wiederum lässt kaum eine groteske Nuance der echten Spungen aus: eine verwöhnte reiche Göre, die von Gott und der Welt gehasst wurde – übrigens nicht unähnlich der in einer Nebenrolle agierenden Courtney Love. Beide Darsteller erhielten Auszeichnungen: Oldman den British Film Award als „Most Promising Newcomer“ vom Evening Standard, Webb den NSFC Award als „beste Darstellerin“. Im Zentrum eines dann doch eher fiktiven Drehbuchs mit außergewöhnlich eindrucksvollen Konzert-Aufnahmen steht die mörderische Love-Story eines todessehnsüchtigen amerikanischen Groupies mit einem britischen Nichtsnutz, der, wie Rotten in zahllosen Interviews immer wieder gerne betonte, zwar optisch optimal den Punk gab, aber noch nicht einmal rudimentär in der Lage war, Bass zu spielen. Was bleibt, ist die zerstörerische Liebe im kargen Niemandsland abstruser „No Future“-Philosphie. Starke Szenen gibt es dennoch zuhauf. Nicht nur, wenn Sid Nancy ersticht und ihr wenig später noch vor seinem Mordprozess ins Punk-Nirvana folgt – elendig verreckt im New Yorker Chelsea Hotel an einer Überdosis Heroin. Sondern auch, als die drogendösige Nancy mit einer Kippe ihr Hotelzimmer in Brand steckt und fasziniert in die lichterloh abfackelnde Bude starrt. Oder aber in der pathetischen Szene, in der Nancy sagt: „Love kills“ und sich die düstere Prophezeiung bestätigt. In der Bonus-Dokumentation erzählt Cox schließlich, wie es 1986 zum filmischen Schnellschuss kam. Gerüchten zufolge plante ein großes Hollywood-Studio eine Produktion über Sid & Nancy ausgerechnet mit Madonna und Rupert Everett in der Hauptrolle. Dem Teufel sei Dank, dass uns wenigstens das erspart blieb.

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