Drei Jahre nach einem bahnbrechenden Debüt hat immer noch niemand die Shabazz Palaces einholen können. Auch ihr zweites Album ist Rap von ganz weit vorne.

„Zu 100 Prozent Rap.“ So beschrieb Palaceer Lazaro aka Ishmael Butler, Frontmann der Shabazz Palaces, 2011 dem ME die Musik seiner Gruppe – und zeigte all denen, die immer noch der „Golden Era“ der Mitt-90er hinterhertrauerten, wie sehr sich HipHop weiterentwickelt hatte. Die Jazz-Elemente, die A Tribe Called Quest (und Digable Planets, Butlers erste Band) so liebevoll eingesetzt hatten, wurden verhackstückelt, statt Aggressivität herrschte Minimalismus. BLACK UP, das Palaces-Debütalbum, war das erste nominelle Rap-Album, das jemals beim legendären Sub-Pop-Label erschien.

Seitdem sind ein paar dazugekommen, wie von der Rap-Gruppe der Stunde, Clipping. (Punkt ist Teil des Bandnamens). HipHop durchlebt momentan eine unglaublich fruchtbare Phase, in der kaputte Mixtape-Monster wie Gucci Mane, smoothe Hit-Maschinen wie Future, heißblütige Jungspunde wie Ratking und original Gangstas wie SchoolBoy Q im selben Kosmos agieren und ihn bereichern können. Aber keiner lotet die Grenzen dieses eh schon gewaltigen Spielraums so vehement aus wie Shabazz Palaces aus Seattle.

Ihr zweites Album LESE MAJESTY (zu Deutsch: „Majestätsbeleidigung“) ist ein behutsam zusammengefügtes Mosaik aus ambientartigen Interludes, futuristischen Afro-Rhythmen, entrückten Space-Skizzen und Songs, die sich jeglicher Linearität entziehen und oft auch an die Grenze der konventionellen Harmonielehre gehen. Shabazz Palaces berichten in sieben lose zusammenhängenden „Suites“ (bestehend aus jeweils zwei bis vier Songs) aus einer Welt, in der nebulöse Obrigkeiten ihre Privilegien missbrauchen – getrieben von der Angst, selbige bald abgeben zu müssen.

Dealer haben Nachbarschaften unter Kontrolle, während Einzelkämpfer von Kameradschaft träumen und Trost in weltlichen Genüssen suchen. Diese fiktive Welt ist unserer Realität leider sehr nahe, die Musik dagegen klingt wie aus einer fernen Galaxie in unsere Lautsprecher gebeamt. Aber trotz aller futuristischen Neigungen bleibt LESE MAJESTY ein Rap-Album. Der mystisch-düstere Opener „Dawn In Luxor“ wird von Butler genutzt, um seine Zeitgenossen in die Schranken zu weisen: „The lesser rapper must contend with lying to himself“ – der Rapper, der weniger kann, muss sich damit begnügen, sich selbst zu belügen. Butler muss niemandem etwas vormachen. Schnurrend wie ein Panther liefert er seine Strophen ab und stellt sich gerne in den Hintergrund, wenn die Kakophonie aus ächzenden Loops wieder so anschwillt wie auf „Ishmael“.

Butlers Lieblingseffekt ist der Pitchshifter, der die Identität des Sängers verwischt. So zum Beispiel auf dem straightesten Rap-Track der Platte, „Motion Sickness“, wo Butler nach Quasimoto, dem rappende Alter Ego von Produzen- tenlegende Madlib, klingt. Anderswo erinnert „New Black Wave“ mit seinen Wasser-Tropfen- Beats und House-Basslines an den modernen, von UK Dance inspirierten R&B. Die Produktion von Frickler Tendai Maraire ist noch abstrakter und herausfordernder als auf BLACK UP. Es blubbert, es raschelt, G-Funk- und Jazz-Basslines tauchen auf und gehen wieder unter, Loops und Echos desorientieren den Hörer.

Die Zeiten, in denen Rap-Platten vor deutlich erkennbarer Samples nur so strotzten, sind vorbei. Umso bemerkenswerter ist das erste eindeutig identifizierbare Sample auf LESE MAJESTY. Es stammt von HUSTLERS CONVENTION, dem 1973er-Album vom New Yorker Poeten Jalaluddin Mansur Nuriddin aka Lightnin’ Rod – bei vielen HipHop-Heads auch bekannt als der Großvater des Rap. Bei den Shabazz Palaces ist Nuriddins Enkel in den besten Händen.