Ron Flieger

Anders wohl kaum Dienje/Rough Trade

Kaugummi-Vocals kill music: Songwriterpop mit schmerzlichen Momenten.

Sollte der Streit um den Sinn und Unsinn deutscher Songtexte wieder einmal entflammen: Mit Ron Flieger haben die Gegner ein gutes Argument in der Hand. Der 26-Jährige hat mit seinem Debütalbum anders wohl kaum ganz unfreiwillig ein musikalisches Pamphlet für die Abschaffung deutschsprachiger Pop-Lyrik geschaffen. Und das, obwohl seine Großmutter angeblich Dichterin war. Warum nur hat sie ihm nicht verraten, dass Verben wie „inhalieren“, „resignieren“ und „desillusionieren“ jeden Sprachfluss stoppen, jedes Versmaß zum Taumeln bringen und überdies für schlechte Laune sorgen? „Inhaliiiaaaan“. „Resigniiaaan“: Das klingt nach einem Wintermorgen mit grauem Himmel und Rückenschmerzen. Noch dazu, wo Ron Flieger jede einzelne Silbe in die Länge zieht wie einen Kaugummi, der schon lange den Geschmackverloren hat. Mit seiner verqueren Betonung folgt der Songwriter einem Irrglauben: Wer leiert, signalisiert Sensibilität und Unmut. Das galt vielleicht noch in Zeiten, als Tocotronic ihre ersten Songs schrieben. Heute ist das anders. Wer leiert, signalisiert höchstens, dass er dringend Sprechunterricht nehmen sollte. Ron Fliegers Gesang drängt so stark in den Vordergrund, dass er die Kompositionen gleichsam an die Wand klatscht. Ron Flieger nölt und dehnt. Und irgendwo im Hintergrund kämpfen hübsche Popharmonien um ein bisschen Beachtung. Das allerdings vergebens. Entweder verlieren sich die Hooks ganz schnell in lieblosem Geschrammel. Oder die Instrumente kommen gegen die Stimme nicht an. So sehr das Piano auch ein Crescendo versucht, so beharrlich druckvolle Riffs immer wieder aufbegehren – die Texte bremsen jeden guten Ansatz aus. Wenn Flieger näselt „bitte, bitte, lauf nicht weg, erkenn den Weg der Zeit, du weißt, es ist nicht weit“, erzeugt das körperliche Schmerzen. Und die gibt es im Leben schon genug. VÖ: 11.8.

www.ronflieger.com