„Ready Player One“-Kritik: Steven Spielbergs Formatradio-Blockbuster ohne Seele
Das Beste aus den 80ern, 90ern und von heute. Die Flut an Figuren aus den vergangenen Jahrzehnten sorgt zwar für beeindruckende Bilder. Für eine gute Geschichte war da kein Platz mehr.
Von einem Film, in dem die halbe Menschheit fanatisch beschränkt auf ein Virtual-Reality-Spiel ist und sich dort komplett verloren hat, erwartet man eigentlich etwas mehr Kritik. Daran, dass die Menschheit die reale Erde hat verkommen lassen. An der schieren Sucht nach Realitätsflucht, an der eben auch der Held des Films leidet. Oder daran, dass es wenig für die Zukunft bringt, wenn die Gesellschaft ausschließlich die Vergangenheit glorifiziert und nicht mehr an der Gegenwart interessiert ist. Steven Spielberg hat die mit popkulturellen Referenzen zugepflasterte Geschichte „Ready Player One“ von Autor Ernest Cline für die große Leinwand adaptiert. Und verliert sich genauso in der künstlichen Videospielwelt „Oasis“ wie die trotz aufwändiger Technik überraschend eindimensionalen Figuren des Films.
Spielberg greift noch einmal nach dem ganz großen Hit, der ihm zuletzt nicht mehr vergönnt war. Die Fantasy-Verfilmung „The BFG“ war schlichtweg ein Flop, der wohl aus Prinzip für mehrere Oscars nominierte „Die Verlegerin“ interessiert schon wenige Wochen nach Kinostart niemanden mehr. „Ready Player One“ ist nun als sichererer Mainstream-Kassenerfolg eingeplant. Die wärmende Decke Spielberg wird über den anhaltenden Nostalgie-Trend gelegt, der spätestens seit „Stranger Things“ in Hollywood als neue Goldader ausgemacht wurde. Denn in der „Oasis“, diesem riesigen VR-Spiel in „Ready Player One“, gewinnt derjenige, der sich am besten mit der Gaming- und Popkultur der 70er, 80er und 90er auskennt.
Ein Ausflug in den Film „Shining“
James Halliday (Mark Rylance) hat die „Oasis“ im Jahr 2025 erfunden, stieg damit zum neuen Steve Jobs auf und veränderte die Welt. Zu seinem Tod, mehr als ein Jahrzehnt später, verabschiedet sich der von Rylance wahnsinnig unglaubwürdig und introvertiert dargestellte Halliday mit einer Videonachricht an die Millionen Spieler seines Spiels: Drei Geheimnisse und Aufgaben hat er in seinem Spiel versteckt. Wer die Aufgaben löst, für die man besonders viel Fachwissen über die liebsten Kulturgüter Hallidays sowie sein Privatleben benötigt, erhält nicht nur viel Geld, sondern auch die Macht über das komplette Spiel.
Die drei Aufgaben/Rätsel sind für die meisten Spieler zu schwierig. Nur der von Ty Sheridan gespielte Parzival scheint sich so sehr in die Vergangenheit des Oasis-Schöpfers reingefressen zu haben, dass er die Easter Eggs entdeckt und zum unglaublichen Favorit aufsteigt. Seine wichtigste Mitstreiterin findet er in der Spielerin Art3mis (Olivia Cooke), in die er sich virtuell sowie in der Realität verliebt. Gemeinsam konkurrieren sie mit dem von Ben Mendelsohn gespielten Unternehmer Sorrento. Der will das Spiel aus purer Geldgier gewinnen, damit sein eigenes VR-Unternehmen zum Marktführer machen. Spätestens als der Film etabliert hat, dass Sorrento nicht auf nerdige Popkultur steht, verliert der Wettstreit in „Ready Player One“ seinen kompletten Reiz: zu schwarz-weiß sind hier die Parteien gezeichnet.
Ein Spoiler, der keiner ist: Natürlich gewinnt Parzival am Ende das Spiel, natürlich bekommt der Böse seine gerechte Strafe. Natürlich versteckt sich hinter der Avataren-Clique des Helden eine Ansammlung von herrlich diversen Kids, deren komplette Fokussierung auf die „Oasis“ nicht hinterfragt wird. Spielberg vermittelt passend zum Rückblick in die vergangenen Jahrzehnte zwar das oft zitierte Spielberg-Gefühl aus Abenteuer und Freundschaft, das einen Film immer bis zum Ende trägt. Geschichten hat der Oscar-Preisträger aber schon deutlich besser erzählt.
Die drei Aufgaben, die Parzival lösen muss, um das Spiel zu gewinnen, sind unausgewogen umgesetzt und nicht immer spannend – außer, wenn die Videospielfiguren durch den Film „Shining“ irren und dort von der berühmten kubrikschen Blutwelle weggespült werden. Die reale Welt ist überhaupt nicht ausgearbeitet. Zwar lebt der Protagonist in den Slums der Stadt Columbus, Ohio und hat allen Grund, sich in eine VR-Welt zu flüchten. Wie es im Rest der Welt aussieht, davon erfährt man allerdings wenig. Ist der Machtwechsel in der „Oasis“ wirklich so ein wichtiger Moment für die westliche Welt? Als Zuschauer hat man schlichtweg keine Ahnung und muss sich auf die Behauptung von Teenagern verlassen, die – das ist ja die Prämisse – generell arg weltfremd sind.
Eine wichtige Figur wurde bewusst ausgelassen
Mit ein wenig mehr Fokus auf die reale Welt sowie facettenreicheren Figuren hätte „Ready Player One“ mehr als nur ein guter Blockbuster werden können. So aber wurde der Roman von Ernest Cline zu einem mit 2,5 Stunden deutlich zu langen Wimmelbild voller popkulturellen Referenzen, dem es nicht an gelungenen Effekten und Action, dafür aber an Seele und Sinn fehlt. Denn in der „Oasis“, in der der Großteil des Films spielt, sind weder Spielberg noch seine Schauspieler wichtig. Dann werden die Typen aus der Lizenzabteilung von Warner Bros. wichtig, die hier Auftritte von ikonischen Film- und Videospielfiguren möglich machen. Beispielsweise fährt Parzival mit dem Auto aus „Zurück in die Zukunft“ ein Rennen, in dem er kurz vor der Ziellinie gegen Art3mis auf ihrem Akira-Motorrad um die Wette fährt und dabei dem T-Rex aus „Jurassic Park“ sowie King Kong ausweichen muss.
Ein Großteil des Publikums wird die Flut an Anspielungen und bekannten Figuren lieben. All die Master Chiefs, Turtles und Godzilla-Monster, die im Finale in eine gewaltige Schlacht verwickelt sind. Denn gefühlt geht es in „Ready Player One“ nur darum, so viele verschiedene Dinge wie möglich zu zeigen. Und nicht darum, mit dem vorhandenen Spielzeugkasten eine Geschichte zu erzählen, die der Größe der VR-Welt „Oasis“ angemessen wäre. Stattdessen wird Welle für Welle „Das Beste aus den 80ern, 90ern und von heute“ über die Leinwand gespült – was sich manchmal genauso willkürlich anhört wie die mit dem Slogan assoziierten Playlisten im Formatradio.
„Ready Player One“ startet am 5. April in den deutschen Kinos.