Emo trifft R’n’B und Electronica – der perfekte Sound, um in den USA richtig abzuräumen. Aber auch nur da.

In den Vereinigten Staaten war das Trio aus Lowell, Massachusetts, die Indie-Rock-Sensation 2014: eine Band mit den angesagten Klamotten, Tattoos und Frisuren der Saison, einer Frontfrau namens Lyndsey Gunnulfsen, die wirkt wie eine Promenadenmischung aus Avril Lavigne, Hayley Williams (Paramore) und der frühen Katy Perry, sowie zehn Songs, die exakt dem Sound der Zeit entsprechen. Ein bisschen Emo, ein bisschen R’n’B, ein bisschen Electronica, garniert mit wildromantischen Herzschmerztexten über Liebe, Leidenschaft und Zurückweisung plus inbrünstigem, leidenschaftlichem Mädchengesang, bei dem kein Taschentuch trocken bleibt. Musik wie eine kitschige Teenie-TV-Serie – nur ohne Vampire, Werwölfe und Dämonen.

Dafür aber mit jungen Protagonisten, die so unverhohlen in Richtung Zeitgeist, Charts und Massenkompatibilität schielen, dass dieses Debüt wie vom Reißbrett eines cleveren Plattenfirmen-Menschen/Produzenten wirkt. Was an schlimmen textlichen Ergüssen der Marke „you just give me something to think about – it’s not the shit in my head“ festzumachen wäre, die 40 Jahre Frauenbewegung und 20 Jahre Riot Grrrls mit Füßen treten. Aber auch an fiesen Synthie-Arrangements, die von dumpfen Beats über sphärische Zuckerwatte bis hin zu einer richtigen, heftigen Wall of Sound reichen. Was Pvris als gut getarnte Pop-Band entlarvt, die der Image- und Drama-geilen US-Jugend einen Haufen Müll unter dem Deckmäntelchen moderner Rockmusik eintrichtert. Mit Erfolg: WHITE NOISE hat Platz 88 der Billboard-Charts erreicht und für einen Support-Slot auf der traditionell mit zweifelhaftem Geschmack gesegneten Warped-Tour 2015 gesorgt. In Europa ist man hoffentlich schlauer.