Porridge Radio

Every Bad

Secretly Canadian/Cargo (VÖ: 13.3.)

Die Band von Dana Margolin übersetzt Verunsicherung in Ekstase, nimmt Indie-Rock-Avantgardening, Grunge und Dream Pop dabei mit.

„Thank you for making me happy.“ Geschlagene anderthalb Minuten hören wir diesen Satz nun schon im ersten Song auf EVERY BAD, es sind viele Stimmen, oder doch nur die eine von Dana Margolin, im Multitracking-Verfahren auf die Größe eines jubilierenden Kinderchores gebracht? Man mag sich dieses Mantra als einen konfek­tionierten Valentinstagsgruß vorstellen, danke, danke, Schatz, dass du da bist! „Thank you for making me happy.“

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Wenn die Stimme von Dana Margolin am Ende von „Born Confused“ gegen das Gitarrengeschrabbel ankämpft, erschöpft, leicht verzerrt, verhallt und ziemlich alleine, sind das immer noch die gleichen Worte, aber sie scheinen ihre Bedeutung zu wechseln. Mit diesem „Thank you“ könnte sie jetzt auch eine Person rausschmeißen, die ihr Schmerz zugefügt hat. Vielen Dank dafür, dass du mich verlassen hast. Der Song reißt von einer Sekunde auf die nächste ab.

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Dieser „Turn“ gehört zum Instrumentarium, mit dem die Band aus Brighton Haltung gewinnt, sie übersetzt emotionale Verun­sicherung in lange, ekstatische Wortreihen und eine große Lust an Übersteuerung, sie testet verschiedene Formen des musikalischen Ausdrucks. Vom Indie-Rock-Avantgardening im Stile Courtney Barnetts kriegt sie die Kurve zu Scream-Passagen in Metal-Manier, von Grunge-Anleihen zu Dream-Pop-Bekenntnissen. Und manchmal klingt das, als hätte Brett Anderson von Suede sich sehr in seine Melodie verliebt.

Dana Margolin ist deine Indie-Rock-Schwester, die noch weniger Durchblick hat als du

In jedem Moment aber wissen Porridge Radio (machen wir es kurz: 3w, 1m) sich mit ihren Hörer*innen zu verbinden. Mit dem existenziellen Alltagsmist, der sich zwischen Beziehungsende und Selbstwertverlust aufbaut. Und einen so ratlos zurücklässt. Dana Margolin ist deine Indie-Rock-Schwester, die noch weniger Durchblick hat als du. Ihre Stimme erhebt sich aus mächtigen­ Klanggewittern mit gar wackligen Ansagen: „What is going on with me?“, „I still don’t know what’s on my mind“. Sie haut dir aber auch die Hymne des Tages um die Ohren in einem Non-stop-Wechselbad der Gefühle: „I don’t know what I want. I know what I want.“

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Margolin war des Studiums wegen von London nach Brighton gezogen, sie begann Songs aufzunehmen, zuerst allein im Schlafzimmer, später erprobte sie sich bei Open-Mic-Nights, 2015 gründete sie Porridge Radio. Die Band giggte sich durch die Pubs der Stadt und die kleinen Clubs der Umgebung und Everett True, der Exzentriker unter den schreibenden Kollegen, krönte sie kurzerhand zur „besten Band der Welt“ – auf der Basis eines halben Songs.

Alle machen gerade „Quarantäne“-Live-Streams: Was gibt es da eigentlich zu sehen?

EVERY BAD ist einerseits zu einem emotional hochtourigen Auskunftsbuch über dieses schwer verständliche Leben geworden, andererseits zerfallen die Erzählungen schneller, als die Künstlerin ihre Gedanken sortieren kann. „I am charming I am sweet. She will love me when she meets me“, Margolin flüstert die Worte im Song „Sweet“, als begehrte sie deren Klang, ersatzweise für eine Wirklichkeit, an die sie nicht mehr so recht glaubt.

Eine gut durchpflügte Sammlung des Everyday-Wahnsinns

Man muss an dieser Stelle keine Grundsatz­diskussion über den Indie-Rock 2020 führen. Porridge Radio haben sicher nichts erfunden oder aufgearbeitet, was man nicht schon vor zehn oder 20 Jahren haben konnte. Sie machen uns aber glauben, dass ihre Signale nur aus diesen Klangräumen kommen können, und diese Klangräume sind Intensivstationen für Gesang und Gitarre. „I’m stuck I’m stuck I’m stuck I’m stuck I’m stuck I’m stuck I’m stuck I’m stuck I’m stuck I’m stuck I’m stuck“, so geht der Wortsturm aus dem besten Song des Albums, „Lilac“. Orkan und Meditation im selben Moment.

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In eine dramaturgische Linie gebracht, stehen die Songs auf EVERY BAD nun wie eine gut durchpflügte Sammlung des Everyday-Wahnsinns da, die auch ein Stimmungsbild aus dem aktuellen  Brexitannien formulieren könnte. „I don’t want to get bitter, I want us to get better“, auch das singt Dana Margolin in „Lilac“, auch das wird ein Mantra. Eine sich überschlagende Stimme, Backwards-Bandschleifen zum Finale. Sudden death of a song.

EVERY BAD im Stream hören:

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