Please Kill Me – die unzensierte Geschichte des Punk
Die Geschichte der Punkszenen von Düsseldorf, Hamburg und Berlin hat Jürgen Teipel erfolgreich in „Verschwende deine Jugend“ sich selbst erzählen lassen, weitere Bücher nach derselben Methode sind bereits gefolgt oder in diversen Stadien der Vorbereitung (etwa über München, das die „Päpste“ der Punk-Historisierung traditionell ignorieren]. Da wird es höchste Zeit, dem deutschen Leser die „Originalvorlage“ zugänglich zu machen, die ausufernde, atemberaubende, unfassbare Geschichte der New Yorker Szene (mit Ausläufern bis Detroit, LA und anderswo), die für die „Erfindung“ von Punk und New Wave ebenso entscheidend war wie die in London. Legs McNeil (der 1975 als 18-Jähriger das Fanzine „Punk“ mitgründete) und Gillian McCain holen enorm weit aus (bis zur Gründung von Velvet Underground 1965], aber nicht oder zumindest nicht in erster Linie, um den leidigen „Städtekampf“, welche Wölfin denn nun das missratene Sicherheitsnadel-Balg zuerst mit der schwarzen Milch der Hoffnungslosigkeit und Zerstörungslust gesäugt hat, ein für allemal zu entscheiden. Das ginge sowieso nicht, da könnten die Londoner ebensogut die Pretty Things ins Feld führen oder die München-Wien-Zürich-Connection ihre diversen Jahrhundertwende-Schrammler und Dada-Punks, von den Pariser Situationisten ganz zu schweigen. Stattdessen geht es draum, den Fluss bis zu seinen frühesten Quellen zurückzuverfolgen. Die Fülle an Details und Anekdoten, in hunderten (fast ausschließlich von den Autoren selbst geführten) Interviews über viele Jahre hinweg angeschwemmt, ist überwältigend. Die Diversität der Befragten und ihr extrem unterschiedlicher Hintergrund führt dazu, dass das Gesamtbild von theoretischen Einordnungen über rührend Persönliches bis zur derben Schimpftirade reicht – umfassender geht’s kaum. Da man zu vielen Ereignissen Berichte aus verschiedenen Mündern hört, fällt die Entscheidung, was man für bare Münze nimmt, mit zunehmender Seitenzahl leichter, und im Zweifelsfall ist das ja auch egal – lieber schön geschwindelt als öde reportiert. So weit: ein grandioses, unersetzliches, in seiner historischen Bedeutung mit den Leitfossilien der Epocheln) selbst zumindest vergleichbares Buch. Ein paar Worte zur Übersetzung müssen aber sein: Wörtliche, zudem ungeschliffene Rede ins Deutsche zu übertragen, ist ein hartes Brot. Vielleicht deshalb haben die Übersetzer gar nicht erst versucht, den Text in entsprechenden deutschen Schwadronier-, Umgangs- und Plauderton zu hüllen, sondern wollten ihn lediglich lesbar machen, dabei aber das Original deutlich durchscheinen lassen. Das geht leider in die Hose: Der Text liest sich geschraubt und gedrechselt, manche Bemerkung bleibt gänzlich unverständlich oder wirkt zumindest ungeschickt (so „entwickelt man zum Beispiel keine“.Routine“, ein „Grass“ ist nichts zum Rauchen, sondern höchstens zum Lesen, und das fürchterliche“.Sinnmachen“ aus dem TV-GeptapT per gehört nicht auch noch in Bücher hinein). Am ärgerlichsten ist jedoch, dass es mit dem Deutschen selbst hapert: Ein nicht endender Schwall schiefer „würde“-Konstruktionen trübt die Lesefreude ebenso wie Grammatik- und Bezugsfehler („einer der Ersten, der …“). Am schlimmsten aber ist die entnervende Gewohnheit, bei der Wiedergabe indirekter Rede praktisch jedes „sei“ durch ein falsches „wäre“ zu ersetzen, wodurch Tatsachen zu denkbaren Möglichkeiten und der Lauf der erzählten Dinge verdreht, verdüstert und mit nie Geschehenem verquirlt wird. Dass der enorme Verlust an Lesespaß und Information, der dadurch zwangsweise entsteht, nicht auf unvermeidbaren Schwierigkeiten, sondern auf purer Schludrigkeit beruht, kostet mindestens zwei Sterne.
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