Paul Kalkbrenner :: Icke wieder
Paul Kalkbrenner Musik/Rough Trade
Techno/House/Ambient: Der Berliner bleibt bei seinem Rezept und gibt den Leuten, was die Leute hören wollen.
Ein Erklärungsversuch für den riesigen Erfolg des DJs und Produzenten Paul Kalkbrenner: Er zeichnet ein musikalisches Bild von everybody’s Sehnsuchtsort Berlin. Berlin in all seiner Kaputtheit, Unfertigkeit, Schäbigkeit, diese vom Zweiten Weltkrieg zum Stückwerk gemachte Stadt, die sich nie richtig davon erholt hat und dazu verdammt ist, ewige Baustelle eines nie vollendeten Metropolis zu sein. Berlin in seiner schäbigen Pracht als idealer Fluchtort vor individuellen Lebenslügen, zum Aufbau neuer Lebenslügen. Die künstlerische Aufarbeitung dieser Zerrissenheit gelang dem Film „Berlin Calling“ und dem zugehörigen Soundtrack von Paul Kalkbrenner hervorragend. Damit wurde ein Stückchen Berlin in die Provinz getragen, der Geschmack der exzessiven Feierei in die Dorfdisco gebracht. Auf Icke wieder, seinem fünften Album, bleibt Kalkbrenner bei dem Rezept, das ihm Hunderttausende verkaufte Platten und eine feste Fanbase im Mainstream eingebracht hat: mehrheitlich impressionistische Ambientflächen, melancholische Melodien, watteweiche Interludien und eine fette Bassdrum, die den Track bei Bedarf auf den Boden der Funktionalität zurückholt. Immer wieder versucht Kalkbrenner aus dem Schema auszubrechen, mit düsterem, Streicher-aufgeladenem Techno („Kleines Bubu“), clever verwinkelten Beatkonstruktionen („Schnakeln“), vereinzelten Abstraktionen („Des Stabes Reuse“) – doch werden diese Ausbruchsversuche immer wieder von der Kickdrum abgesichert, das Johlen Tausender euphorisierter Clubkids beim Mega-Rave vorm geistigen Ohr. Bei aller Durchschaubarkeit und funktionalen, crowdpleasenden Kalkuliertheit sind diese Tracks letztendlich dafür angetan, doch immer „irgendwie mitzumüssen“. Kalkbrenner-Musik funktioniert auf der Ebene, auf der sie funktionieren soll. Und auch das ist durchaus eine Kunst, den Leuten zu geben, was die Leute eben so wollen. Den Titel des Albums und die der meisten Tracks („Jestrüpp“, „Kleines Bubu“, „Kruppzeug“, „Schmökelung“) fassen wir als grenzenlose Affigkeit auf, die gerne als Nonchalance wahrgenommen werden würde.
Key Tracks: „Der Breuzen“, „Des Stabes Reuse“, „Jestrüpp“
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