On Some Faraway Beach von David Sheppard

Wenn es in dem weiten, tiefen Ursuppenmeer namens Pop je eine abseitige Idee gab, auf die Brian Peter George St.John le Baptiste de la Salle Eno nicht gekommen ist, dann war sie ihm wahrscheinlich nicht abseitig genug. Der soeben 60 gewordene Sohn eines Briefträgers aus Ipswich fuhr Anfang der 70er als glitzerschillernder, sexuell vieldeutiger, selbstbewusst dilettantischer Roxy-Music-Tastenmensch wie ein Kugelblitz in die bis dahin noch kaum glamouröse. sondern eher haarigbeinige Glamrockszene hinein und wurde auf Anhieb zu deren perfekter Idealverkörperung – dass David Bowie auf ihn flog wie ein rostiger Nagel auf einen Supermagneten. war ebenso logisch wie (für Bowie und einen gewissen Teil der Erdbevölkerung) lebensbestimmend. Devo, Talking Heads, U2, James, Laurie Anderson, Paul Simon, Robert Fripp, Cluster, Coldplay,John Cale, Jah Wobble, Depeche Mode- Enos Vielseitigkeit und Offenheit ist ebenso beispiellos wie sein Eigensinn (so hat er etwa bis heute keine eigene Internetpräsenz). Seine einzigartige Arbeitsweise (die mehr mit Spiel, Kunst, Freiheit und Irrsinn zu tun hat als mit „Arbeit“) machte ihn zu einem der größten Inspiratoren und Produzenten der Popgeschichte, aber möglicherweise noch wichtiger und revolutionärer waren und sind seine eigenen Werke, vom genialischen Glam-Geschluder auf HERE COME THE warm jets (1973) über alle nur vorstellbaren experimentellen Weltraum- und Dschungelreisen bis hin zur Erfindung von Ambient, der Beschallung von Flughäfen, Parfüms und Kunstmuseen sowie vielerlei nicht musikalischen Aktivitäten zwischen Video, Politik, bildender Kunst („77 Million Paintings“) und Mode(dass er als „Komponist“ eines Windows-Startgeräuschs die möglicherweise meistgehörte „Musik“ aller Zeiten schuf, ist nur eines von vielen kuriosen Details). An der Aufgabe, dieses ungeheure, auch widersprüchliche Kreativleben annähernd erschöpfend zu fassen oder gar in die Nähe der Quellen des vielarmigen künstlerischen Stroms vorzudringen, ist der Musikjournalist David Sheppard erwartungsgemäß gescheitert (oder hat es sich gar nicht erst angemaßt). Trotzdem ist sein zitatreiches Buch eine nicht nur für Fans lohnende, erstaunliche und amüsante Lektüre.

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