Nouvelle Vague – Nouvelle Vague
Im Leben ist nichts Gegenwart. Das ist erstens einer von schier unglaublich vielen Sätzen, die Goethe mal eingefallen sind, zweitens ein Beleg für die These, dass Goethe immer geht – und drittens die stabile MetaEbene. auf der das funktioniert, was Mark Collin aka Avril zusammen mit seinem Buddy Olivier Libaux veranstaltet: Die beiden knöpfen sich Post-Punk und Früh-Achtziger-New-Wave-Klassikervor. Beziehungsweise: Lassen vorknöpfen. Am Gesang haben die Herren nämlich ein paar Damen installiert – sechs Französinnen, eine Brasilianerin, eine New Yorkerin -, die ob ihres juvenilen Alters mit den Originalen nichts am Hut haben und, mit Ausnahme der Amerikanerin, des Englischen nur in Randbereichen mächtig sind. Was bedeutet: Sprachliches Scheitern ist hier nicht nur eine konsequent genutzte Chance, es ist vor allem eins: sexy. Die serienmäßig eingebaute Grundmelancholie, die Joy Divisions „Love Will Tear Us Apart“ zu Eigen ist, bleibt erhalten; neu ist der dezente Latin-Appeal, mit dessen Hilfe diesem wie allen übrigen Songs ein figurbetontes, wärmendes Jäckchen gestrickt wird. „Just Can’t Get Enough “ kommt als flotter Bossa daher, bei dem man sich lebhaft vorstellen kann, wie die beiden DM-Köpfe darauf regieren: Martin Gore wird sein blondes Haar für uns schütteln. Dave Gahan mit seinem Schmalarsch wackeln. Fabulös, mondän und lasziv ist das alles – und damit genauso wohl geraten wie The Clashs „Guns Of Brixton“. Ausgebremst und mit feschem Gehauche ausgestattet, haben die Wummen nix eingebüßt. Gefährlich gilt immer noch,nur eben: anders. Und während wir uns noch über geniale Nachmachereien von P.I.L., den Dead Kennedys, Cure und den Sisters Of Mercy freuen, sinnieren wir noch mal über Goethe: Nichts im Leben ist Gegenwart. Was für ein schön formulierter Quatsch.
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