North Quartet – Malamute

Am 6. März wurde Peter Brötzmann 65 Jahre alt. Offiziell hat er damit das [noch gültigel Rentenalter erreicht. Und nachdem, was er in den letzten 40 Jahren an subversiven Jazz-Tiraden von sich gegeben hat. müßte seine Konstitution nicht mehr taufrisch sein. Doch beim Live-Mitschnitt aus einem Danziger Jazz-Club von 2005 bläst Brötzmann zur Entwarnung. Europas Galionsfigur des Free Jazz ist immer noch in absoluterTop-Form, kann mit seinen bruististischen Saxophon-Sounds immer noch Wände einreißen und Grenzen überschreiten. Jazz im Schleudergang und auf links gedreht – das ist daher die kompromißtose Grundhaltung, die Brötzmann als Mitglied des polnisch-deutsch-skandinavischen North Quartets einnahm. Vier Kompositionen lang steigert man sich in ein infernalisches Getöse hinein, bis Motiv-Splitter und Rhythmus-Fragmente wie gefährliche Wurfgeschosse durch den Raum fliegen. Da scheinen alle tonalen Sicherungen durchzubrennen, um einer anarchisch-archaischen Elementarkultur ein Loblied zu spielen. Aber wie sooft bei Brötzmann hat das Freestyle-Leben mindestens seine zwei Seiten. Hinter der ungebändigten Ausdruckslust steckt auch hierwieder diese blueshafte Expressivität und Spiritualität, die Brötzmann von seinem großen Vorbild Albert Ayler gelernt hat. Gleich im Eröffnungsstück „Birds 01 The Underworlds“ herrschen stammesrituelle und dämonische Improvisationskräfte, die heftigen Mantra-Groove besitzen und einen sofort mit ungeheurem Sog anziehen und einwickeln. Erheblichen Anteil an diesen zukunftsweisenden Traditionsbezügen haben natürlich der Bassist Peter Fnis Nielsen und der Schlagzeuger Peeter Uuskyla, mit denen Brötzmann ein eigenes Trio bildet, sowie der polnische, mehr rockorientierte Saxophonist Mikolaj Trzaska. Daß sich die beiden Trio-Formationen jetzt zu einem Quartett zusammengetan haben, in dem man sich Knall auf Fall verstand, zeigt daher nur, was für eine befruchtende Mannschaftssportart der Jazz sein kann.

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