New Order
Music Complete
Mute/GoodToGo VÖ: 25. September 2015
Sehr angenehmer Dösigkeits-Pop mit dollen Beats von früher. Nur: Es bleibt nichts hängen.
Mit etwas Muse könnte man einen brauchbaren Bassisten-Witz zu Peter Hook stricken, der davon handelt, dass ein Bassist easy peasy aus der Band gekegelt werden kann, wenn er seine Trademark-Lines immer in den höchsten Noten und die auch noch mit dem Plektrum spielt – durch den Gitarristen, der zupft seinen Kram dann einfach mit. Aber zum einen hat sich Hook ja quasi selbst aus der Gruppe geworfen, indem er eigenmächtig die Auflösung von New Order verkündete, und zum anderen dürften es sich Sumner/Gilbert/Morris trotzdem nicht leicht gemacht haben mit ihrer Entscheidung, ohne den alten Bulldozer weiterzumachen.
Am Ende zeigt sich auf der ersten neuen NO-Platte nach zehn Jahren: Jeder ist ersetzbar. Tom Chapman, seit 2011 frischer Bassist der Band, spielt einfach selbst ein paar Hook-Hooks. Überhaupt sitzt auf dem zehnten Album alles genau an dem Platz, wo es bei New Order hingehört – die akustischen Rhythmusgitarren, die synthetischen Streicher, die Snare-Wirbel zum Refrain hin, die funkelnde E‑Gitarre, Sumners melancholischer Ersbraverjunge-Gesang und eben dieser präsente, niemals „fette“ Bass. Doch anstatt „Olle Kamellen!“ zu protestierten, will man sich hinlegen in diese Hängematte von einer Platte, für die New Order einen Pflock in Manchester und den zweiten auf Ibiza in den Boden geschlagen haben. Wie: Ibiza? Tatsächlich braucht man einen Moment, bis man erkennt, dass die Engländer mit MUSIC COMPLETE gar nicht da weitermachen, wo sie mit ihrem Rockgitarren-but-no-Rockmusik-Album WAITING FOR THE SIREN’S CALL hängen geblieben sind.
New Order docken stattdessen irgendwo Anfang der Neunziger bei sich selbst an, etwa auf halber Strecke zwischen ihrem Acid-House-/Post-Punk-Hybrid TECHNIQUE (1989) und der balearischen Wonneplatte REPUBLIC (1993). Das ist der Ausgangspunkt, von dem aus sich die elf Stücke in verschiedene Richtungen (nur nicht zu weit in die Zukunft) nach dem ausstrecken, was Dancepop alles sein kann: vom Moroder-Sequencer auf „Plastic“ über die Madchester-House-Pianos von „People Of The High Line“ bis hin zum forschen, technoiden Beat von „Unlearn This Hatred“, der klingt wie Ende der Neunziger von Stuart Price produziert. Tatsächlich stammt er vom Chemischen Bruder Tom Rowlands, wie auch „Singularity“, das einiges an „Blue Monday“-DNA in sich trägt. Aber auch Price hat mitgemacht und mit „Superheated“ eine typische Brandon-Flowers-Schnulze ans Ende der Platte produziert – featuring Brandon Flowers. Weitere Gäste sind Elly Jackson (La Roux) im Chor und Iggy Pop, der als düsterer Gedichtrezitator fast an Vincent Price in Michael Jacksons „Thriller“ erinnert.
Aber groß Eindruck macht das auch nicht. Und damit kommen wir zum Problem der Platte: Man hört sie gern, ruhig auch den halben Tag, aber wenn sie aus ist, ist sie weg. Ratzefatz. Absolut spurlos verschwunden.