Nat Baldwin :: People Changes

Western Vinyl/Cargo

Eine großartig verknäuelte Kammermusik im Gedenken an Arthur Russell – mit Schnipseln aus dem Freejazz und Melodien aus dem Pop.

Man mag sich bislang nicht so außerordentlich für die Arbeit von Nat Baldwin interessiert haben, weil alles, was die famosen Dirty Projectors bisher veröffentlichten, unter der Regie von David Longstreth betrachtet wurde. Nat Baldwin spielte lange den E-Bass bei den Dirty Projectors, für seine Solo-Aufnahmen bearbeitet er den Kontrabass – oft mit einem Bogen gestrichen. People Changes funktioniert auch als Gedenkstück an den anthologisch wiederentdeckten Cellisten, Songwriter, Disco- und Avantgarde-Produzenten Arthur Russell (1951-1992). Selbst mit dem sanften, leicht gebrochenen, immer etwas um die Melodie kurvenden Falsett bewegt Baldwin sich auf den Spuren des Avantgardisten Russell, dessen Song „A Little Lost“ wie ein Motto am Anfang des Albums steht. Mit „Weights“ direkt im Anschluss beginnt ein Zyklus von Stücken, in denen Baldwin seine Visitenkarte als furchtloser Arrangeur und Komponist abgibt: Aus der verknäuelten Kammermusik tauchen kurze Freejazz-Fragmente auf, die jeden Wohlklang zerreißen. Es gibt Momente, in denen diese Noise-Exkursionen zu einem großen Finale führen (wie man es dann im Jazz-Lehrbuch suchte) oder die Pop-Melodie am Basslauf hochkrabbelt und oben angekommen jubiliert. In der Mehrzahl aber schießen diese zersplitterten, zerstörten, zerrissenen Klänge mitten in Nat Baldwins hübschen Flattergesang. Der Künstler spielt die Frage in den Raum: Geht das auch? Oder: Wohin geht Musik, wenn man mal die Schulmusik beiseitelässt und so auf den Silben tanzen kann? Womit wir wieder bei Arthur Russell wären.

Key Tracks: „Lifted“, „Weights“, „A Little Lost“