Midnight Juggernauts
Uncanny Valley
Siberia/Record Makers/Alive
Post-Elektro: Die australische Band wird geschmeidiger, geht mehr in die Tiefe und findet so zu einer besonderen Form von Popmusik.
Vincent Vendetta, Andrew Szekeres und Daniel Stricker haben es schon länger verdient, dass man sie richtig abfeiert. Allerdings stand dem anfangs ein Missverständnis entgegen. Man unterstellte ihnen, dass sie unter dem Namen Midnight Juggernauts im Windschatten der von Ed Banger und Justice initiierten Elektro-Randale Kapital schlagen wollten. Ganz schuldlos daran waren sie nicht. Die Beats ballerten recht heftig, gelegentlich rockte es. Man konnte sie leicht als Dance-Band für große Bühnen auffassen, nicht als intelligente Musiker mit konzeptionellem Unterbau. Aber genau das sind sie. Dieses Trio fühlt sich von Natur aus zur düsteren Seite hingezogen. Schon auf seinem Debüt sah es das Ende einer Ära kommen. Es ging Szenarien der Anti-Utopie durch und wirkte willens, auf dem Weg zur Erlösung Kontakt zu fernen Sphären zu suchen. Dieser Aspekt rückt nun voll und ganz in den Mittelpunkt. Ausgangspunkt der Überlegungen für das dritte Album ist eine Bruchstelle bei der Bewertung von künstlichen Figuren durch den Menschen. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen erreicht man diese Stelle immer dann, wenn ein Roboter in unseren Augen zu human erscheint. Diesen Punkt nennt man „Uncanny Valley“. Man kennt es seit den frühen Siebzigern, seit dem Beginn der heißen Phase der Roboterforschung. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass sich Midnight Juggernauts auch musikalisch auf die Zeit zubewegen, in der es solche Entdeckungen gab. Im Video zu „Ballad Of The War Machine“ spielt und tanzt die Band in Uniformen vor Kulissen von Überbleibseln aus der sowjetischen Kriegswirtschaft. Aufgenommen hat man die neuen Songs unter anderem in einer alten Kirche im französischen Loire-Tal. Dort konnten Midnight Juggernauts ungestört in die Weiten der kosmischen Musik eintauchen. Dadurch wirken sie sanfter denn je. So sanft, dass man an Air denken muss. Auch der gute alte Giorgio Moroder spielt als Einfluss mit hinein. Etwa dann, wenn mit analogen Synthesizern Klänge erzeugt werden, die an Akkorde eines Spinetts oder die Atmosphäre in alten Science-Fiction-Filmen angelehnt sind. Es tauchen aber auch Beats auf, die man von einem Rave kennt. Der Grund, warum man dieses Album so überaus lieben muss, ist jedoch ein anderer. Midnight Juggernauts waren ja immer schon zu echten Melodien in der Lage. Dieses Mal kennen sie in diesem Punkt kein Halten mehr. In „HCL“, „Streets Of Babylon“, „Sugar And Bullets“ oder „Systematic“ tönt dem Hörer unglaubliche Lust auf Harmonie und Wärme entgegen. Wer vorhat, dem zu widerstehen, bitte schön. Aber wer verpasst schon freiwillig eines der bisher besten elektronischen Alben des Jahres?