Meshell Ndegeocello
THE OMNICHORD REAL BOOK
Blue Note/Universal (VÖ: 16.6.)
Die einstige Acid-Jazz-Ikone wagt sich auf ein luftiges Gerüst aus Jazz, Funk und Soul.
Es gab eine Zeit in den Neunzigern, da galt sie als die Grace Jones der damaligen Acid-Jazz-Welle. Unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit hat Meshell Ndegeocello seither bewiesen, dass sie viel mehr ist als das, elf nicht dogmatisch dem Jazz verpflichtete Alben produziert, und dabei nie dasselbe Werk zweimal erschaffen.
Amazon„Ich habe Scheu vor dem Wort Jazz, das ist so ein bedeutungsschwerer Begriff“, sagt sie ausgerechnet jetzt, da sie erstmals auf dem Jazz-Label Blue Note veröffentlicht: ein 18 Tracks umfassendes Doppelalbum, das nicht nur zig Protagonist:innen des Jazz wie Josh Johnson oder Julius Rodriguez beschäftigt, sondern auch einen irren Genremix aus Leuten wie Joan As Policewoman oder Jeff Parker (Tortoise).
Ndegeocello, die schon mit Prince spielte, macht ein weites Feld jenseits üblicher Akkordfolgen zwischen Jazz, Soul und Funk auf. Trotz des beachtlichen Ensembles wirkt vieles unfertig, nichts überladen oder zugekleistert. In den am Funk geschulten Stücken wie „Thank You For My Life“ gedenkt sie Sly Stone ohne Staubspur, die Lead-Single „Virgo“ hingegen bekommt einen satten Synthbass untergeschraubt. Und mehr als ihre sowohl sanft säuselnde Soul- als auch maulwurftief grummelnde Bass-Stimme braucht es nicht, um die grundverschiedenen Stücke mit ihrer Duftmarke zu kennzeichnen. Bemerkenswert, wie modern etwas klingen kann, dem der Zeitgeist völlig wurscht ist.
Autor: Michael Prenner