Marissa Nadler
For My Crimes
Bella Union/[PIAS] Coop/Rough Trade
Mensch mit Gitarre, achtes Album: Wenn Nadler tiefe Emotionalität mit songwriterischer Brillanz balanciert, hört man dennoch zu wie beim ersten Mal.
Marissa, was hast du getan? „Please don’t remember me for my crimes“, singt die Songwriterin im Opener und Titelstück ihres achten Albums.
Aus der Perspektive eines Todeskandidaten im Gefängnis ist es geschrieben, aber es fällt schwer, es nicht im bei Nadler üblicherweise bespielten, nie deutlich ausgeleuchteten Zwischenraum von Selbstfiktion und düsterer Metaphorik zu lesen, es also nicht doch zu einem gewissen Grad wörtlich zu nehmen. Wie bleiben wir in Erinnerung, was bleibt? For My Crimes ist ein dunkles, trauriges, aber zum Heulen schönes Album, räumlich satt, aber puristisch im Arrangement, mit langsamem Tempo, aber Tiefe in jeder Note. Unterstützt werden die traumgleichen Klangnebelflächen der Bostonerin dabei von Kolleginnen wie Angel Olsen, Sharon Van Etten, Harfenistin Mary Lattimore und Kristin Kontrol.
Natürlich: After all ist Marissa Nadler, wie viele der genannten, auch nur ein Mensch mit einer Gitarre. Wie die klanglich verwandten Sufjan Stevens oder Bill Callahan schafft sie es aber, diesem Grundsetting des Pop eine Textur aufzumalen, die ihre Musik zu sehr eigensinniger Kunst macht.