Marianne Faithfull – Before The Poison
Ihre letzten Alben haben auf Papier besser geklungen als aus den Lautsprechern. Weil Marianne Faithfull nach all den Jahren immer noch nicht gelernt hat, ein Instrument zu beherrschen, ist sie für die Umsetzung ihrer Ideen auf die Gunst von Co-Autoren angewiesen. Beim letzten Album kissin time machte sie aus dieser Not eine verjüngende Tugend. Die Zusammenarbeit mit Zeitgenossen wie Beck, Billy Corgan, Blur und Jarvis Cocker krankte allerdings an der durchwachsenen Qualität der Lieder. Dazu wirkte die Kombination einer vom Leben gezeichneten Stimme und Hochglanztechnologie nicht eben günstig. Auch diesmal wieder hält sich Faithfull in der Wahl ihrer Partner und – erstmals in ihrer Karriere – Partnerinnen an die „Jugend“. Bei fünf Stücken ist PJ Harvey für Musik, Text und Produktion mitverantwortlich, bei dreien Nick Cave, dazu treten je einmal Dämon Albarn und der amerikanische Studiotüftler Jon Brion in Erscheinung. Harveys Lieder wären auf ihrem eigenen Album UH HUH HER nicht fehl am Platz gewesen. Auf ein minimales Instrumentarium von rohen Gitarren, Piano, Perkussion und Backing Vocals beschränkt, schält sich hierein Folk-Bluesaus den Ritzen, der sich ausgezeichnet mit Faithfulls brüchiger Stimme versteht. Cave und ein Großteil seiner Bad Seeds steuern zwei typische Balladen bei. Auf einem Cave-Album würden sie wie ein Dejä-vu wirken, hier fangen sie perfekt den Geist der Faithfullschen Stimme ein. Das dritte Cave-Lied, „Desperanto“, ist der Höhepunkt von BEFORE THE POISON – eine fulminante Rocknummer, die von Warren Ellis‘ Geige und einem simplen Bass-Riff vorwärtsgepeitscht wird. Albarns „Last Song“ ist ein nettes Liedchen über das Verschwinden der Grünzonen. Nur Jon Brion verpasst mit seinem Hightech-Sound den organischen Ton dieses mutigen Albums. Selten klang Faithfull seit ihrem Klassiker BROkEN english so vital wie hier.
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