M. A. Numminen sings Wittgenstein

Eines der größenwahnsinnigsten und drolligsten Bucher der Weltliteratur ist, das kann man durchaus sagen, ohne der Falschaussage überführt zu werden, Ludwig Wittgensteins mit Aplomb und Arschbombenkraft aufgeschlagener Erstling „Tractatus logico-philosophicus“. Wie sich da auf knapp 100 Seiten Strenge und Sinnstringutanz so klar und kalamitär verknoten, dass nicht nur der aller Welt geläufige Megahammersupersatz „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ am Kohlschen Ende abfällt, sondern zudem „ein Stück“ (Björn Engholm] höchster Nonsensdichtung vor dem lachenden Auge zu liegen kommt, das darf uneingeschränkt gepriesen oder gegeißelt werden. Wie man es sodann halten mag. der unterdessen auch hierzulande einem breiteren Publikum bekannte finnische Soziologe, Philosoph, Musiker und Schriftsteller M. A. Numminen hat Wittgensteins alberne Abhandlung ernstgenommen und bereits 1967 seine mittlerweile semiberühmte und -klassische „Tractatus Suite“ komponiert. In der 14 chaotische, herzerwärmend clowneske Minuten langen, sechs Songs oder Gesänge umfassenden Vertonung der zentralen Sätze des Wittgensteinschen Klumpatsches drückt sich wahrscheinlich wahrhaft das wahre Wesen eines philosophischen Unfugsunterfangens aus, das behauptet, die sog. ersten und letzten und lediglich selbst in die „Welt“, die „alles“ sei. „was der Fall ist“, gesetzten Fragen zu beantworten. Man kann es natürlich etwas einfacher sagen. Numminen und sein Underground Rock Orchestra rühren einen respektablen großkomischen Mix aus Rock, Jazz, Zufallsmusik, Tanzweisen und Erbauungsvokalistik an, dem Numminens „Kieksfalsett“ die Krone des gekonnten Gekaspers aufsetzt. Erst Ende der 80er Jahre allerdings begann die Welt den Geniestreich zu verstehen, als Numminen seinen schönen Reigen auf einem internationalen Philosophenkongress in Stockholm zur Aufführung brachte. Zweitausendeins hat jetzt endlich diesen Meilenstein der neueren Musikgeschichte und Philosophieexegese hierzulande zugänglich gemacht. Schwanken darf man, ob einen die elegisch schwirrenden, walzerund skagetränkten Einführungen in die Tatsachendoktrin oder, ab Stück Nummer vier, die zusehends entgeisterter zwischen rhythmischer Vorwärtspower und fröhlichem Arbeiterchor respketive chromatischem Satzgesang, der die logische Methode feiert, herumeiernden Wort-Klang-Potpourris der abschließenden und den Vogel des Philosophen abschießenden gleichwie eintütenden Wittgensteinschen Wortschwurbel am stärksten begeistern. Denn Geist besitzt, wenn nicht Wittgenstein, der gottverdammt gute Numminen in einem Überfluss, an dem sich die Verständigen laben, sofern sie nicht meinen, allzuviel Wittgenstein erwittern zu müssen. Weil: „Die Logik muss für sich selber sorgen.“ (5.4731 Halleluja und heureka!