Lucy Dacus
Home Video
Matador/Beggars (VÖ: 25.6.)
Der queere College-Rock ist liebenswert, aber musikalisch nicht immer überzeugend.
Per Homevideo kann man sich in charmanten Erinnerungen suhlen. Es sei denn, die Homevideos sind paranormaler Natur und haben ein paar Trauma-Geister aufgezeichnet, die man nun erst sieht. Dann schießt einem womöglich heißes Blut durch die Venen wie dem Songtext-Ich im Opener „Hot & Heavy“ auf HOME VIDEO, dem dritten Album von Lucy Dacus,
Amazon„Christine“ erzählt von der besten Freundin, die sich an sie kuschelt auf der Rückbank in der Karre ihres Boyfriends. Lucy (oder das lyrische Ich) ahnt schon, dass sie bei der Hochzeit der beiden einen Schuh Richtung Altar werfen wird. Motto: lieber die Würde verlieren als die mutmaßlich Geliebte an den Mann, der sie nicht glücklich macht.
All diese queeren Story-Miniaturen sind liebens- und erzählenswert. Doch musikalisch überzeugt das nicht so recht. Die College-Rock-Begleit-Mucke läuft an vielen Stellen so fließbandstumpf vor sich hin, als würde sie sich für die Texte gar nicht interessieren. Und umgekehrt schmiegt Lucy Dacus sich auch nicht in die Arrangements ein oder reibt sich an ihnen, sondern singt so, als wäre sie in ihrer eigenen Parallelwelt unterwegs.
Besonders zeigt sich das bei „First Time“ und „Brando“. Im Grunde ist das dieselbe Schwäche, die sich kürzlich schon beim Album ihrer befreundeten Boygenius-Gesangsgefährtin Julien Baker offenbarte. Schade. Zum Glück gibt’s aber auch starke Ausreißer mit Ausbrüchen wie beim Finale „Triple Dog Dare“, wo die Klangdynamik passt.