Little Boots
Nocturnes
On Repeat/Rough Trade 10.5.
Mithilfe von Tim Goldsworthy, Andy Butler und James Ford perfektioniert Victoria Hesketh ihren Disco-Pop.
Scheiß-Rückwärtsgewandtheit der Popmusik. Die ewigen Recycling-Zyklen sind schuld daran, dass Feindbilder irgendwann keine mehr sind – es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich jede Musik durch die Hintertür Zutritt zum Haus des achtbaren Pop verschafft haben wird. Zum Beispiel Little Boots. Ihr 2009 erschienenes Debütalbum HANDS war eine Sammlung von Songs, die mit den richtigen Leuten und mit der richtigen Einstellung produziert wurde, aber von anderen richtigen Leuten als falsch wahrgenommen wird, weil der Dance Pop von Little Boots nun einmal nicht die Vorstellung von Authentizitäts-Verfechtern und Popskeptikern bedient. Vier Jahre später kommt Victoria Hesketh als Little Boots mit ihrem zweiten Album NOCTURNES zurück, produziert und aufgenommen von DFA-Label-Mitgründer Tim Goldsworthy in Bristol; an zwei Songs waren Andy Butler (Hercules And Love Affair) und James Ford (Simian Mobile Disco) beteiligt. Es fällt zunächst auf, dass dem Album im Gegensatz zu HANDS offensichtliche Hits wie „Stuck On Repeat“, „Remedy“, „New In Town“ und „Hands“ fehlen, es aber – trotz gar nicht einmal so kleiner stilistischer Unterschiede zwischen den zehn Songs – viel mehr als Album funktioniert. Trotz der 90er-Jahre-House-Referenzen, Anklänge an 70er-Jahre-Disco und eindeutigen Verweisen auf zeitgenössische, tech-housige Electronica („Broken Record“, „Shake“) ist das Ziel der 29-jährigen Engländerin der perfekte Popsong. Und irgendwann im Verlauf der weiteren Anhörungen von NOCTURNES kommen dann auch die Hits: „Motorway“, „Shake“, „Broken Record“, „Every Night I Say A Prayer“, „Confusion“. Man kann es auch so formulieren: NOCTURNES ist das konsistente Dance-Pop-Album, das Kylie Minogue in ihrer gesamten Karriere nicht gelungen ist.